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Berlin: In Tegel brauen Häftlinge heimlich Hochprozentiges

Mann trank vergorenen Mix aus Obst, Hefe, Zucker – und kam in die Klinik Experten: Drogen im Gefängnis kann man nicht verhindern

Die schlimmste Strafe war der Kater. Mit selbstgebrautem Alkohol hat sich ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt Tegel so stark betrunken, dass er ins Krankenhaus zur Ausnüchterung gebracht werden musste. Der 32-Jährige sei aufgefallen, als er beim Verlassen seiner Arbeitsstelle in der Gefängnistischlerei torkelte und lallte. Er sei nicht mehr ansprechbar gewesen, hieß es. Nach der Ausnüchterung im neuen Haftkrankenhaus in Charlottenburg sei der Bulgare mittlerweile wieder zurück in Tegel, bestätigte eine Justizsprecherin. Bei einer anschließenden Kontrolle der Tischlerei wurde – in einem Abstellraum versteckt – eine Gärvorrichtung gefunden, berichtete Justizsenatorin Gisela von der Aue gestern im Rechtsausschuss. Diese soll der Bulgare nach ersten Erkenntnissen mit diversen anderen Gefangenen benutzt haben soll.

Die Herstellung von Alkohol ist nicht schwer: Neben Wasser werden nur Obst, Hefe und Zucker benötigt. Die Lebensmittel lassen sich legal in der Anstalt kaufen, oder sie werden in der Gefängnisküche „abgestaubt“. Nach einigen Tagen Gärzeit ist das Gebräu – so genannter „Aufgesetzter“ mit etwa 30 Prozent Alkohol – fertig, es soll nach Angaben von Insassen grauenhaft schmecken. Die nächste Stufe, hochprozentiger Schnaps, bedarf einer selbstgebauten Brennvorrichtung. Auch so etwas soll immer im Knast immer wieder schnell auf- und abgebaut werden.

Alkohol ist zwar wie Drogen und Mobiltelefone verboten, gleichwohl aber gang und gäbe. Der langjährige Leiter der Haftanstalt, Klaus Lange-Lehngut, hatte den Anteil der süchtigen Insassen auf 60 bis 70 Prozent geschätzt. Tabletten, Alkohol, Haschisch, Heroin – hinein kommt alles. Zu stoppen sei der Schmuggel nicht, sagen Experten aus Justiz und Politik. Bei 1700 Gefangenen, mehreren hundert Bediensteten und einer Vielzahl von Betrieben mit ständigem Warenein- und ausgang sei eine hundertprozentige Kontrolle nicht möglich. Zwar werden die Taschen der Besucher durchsucht, sehr streng ist diese Kontrolle aber nicht. Angestellte und Anwälte werden nicht kontrolliert. Zuletzt hatte die Jugendstrafanstalt Schlagzeilen gemacht, weil dort Drogen und Telefone über die Mauer geworfen werden – deshalb werden neue, stabilere engmaschige Gitter installiert. In der Jugendstrafanstalt wurden 2006 etwa 100 Handys sichergestellt, in diesem schon 400. Auch in Tegel scheint die Zahl der Telefone deutlich zu steigen. Immer mehr Gefangene melden sich vom Handy aus in der Redaktion. Zwar gibt es offizielle Telefone in den Fluren, doch viele wollen auch abends – wenn sie eingeschlossen sind in der Zelle – mit der Familie telefonieren.

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