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Alles unter Kontrolle. Eine Mitarbeiterin des Landeslabors Berlin-Brandenburg in der Invalidenstraße wertet einen Schweinegrippe-Schnelltest aus.

© Doris Spiekermann-Klaas

Influenzawelle: Schweinegrippe-Virus tritt immer häufiger auf

Zwei von drei gemeldeten Influenza-Erkrankungen in Berlin gehen auf den H1N1-Erreger zurück. Forscher rechnen im Zuge der beginnenden Grippewelle mit stark steigenden Fallzahlen.

Winter bedeutet Grippezeit – auch die der Schweinegrippe. „Wir befinden uns erst am Beginn der großen Welle. In den kommenden Wochen werden wir sicherlich steigende Zahlen bei allen Grippefällen haben“, sagte Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert Koch Instituts. Nach dem Tod des neunjährigen Mädchens aus der Uckermark, das am vergangenen Donnerstag in der Charité verstorben war, stellt sich jedoch die Frage nach dem Risikos einer H1N1-Infektion.

„Das was bei dem Kind passiert ist, war eine ganz große Ausnahme“, sagte Frank Bergmann, Oberarzt der Abteilung Infektiologie und Pneumologie in der Charité. Es bestehe kein Grund zur Panik. Ob unsere Körper überhaupt nicht oder drastisch und schnell auf eine Grippeinfektion reagiere, habe mit dem Immunsystem zu tun. Weltweit gebe es wenig Grippefälle, die derart verlaufen seien. „Das verstorbene Kind hat überschießend reagiert, was die Schäden im Herzen und Gehirn verursacht und schlussendlich zum Tod geführt hat.“

In Berlin habe man es derzeit mit einer normalen Grippesaison zu tun, sagte Bergmann. „Die Situation ist nicht dramatisch“, sagte Marie-Luise Dittmar, Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. Nach Glasmacher seien die Eigenschaften des Virus bekannt und die Ärzte auf die Grippewelle vorbereitet. Der Impfstoff stehe seit September zur Verfügung. „Zwar bleibt die Schweinegrippe auch in diesem Winter das dominierende Influenzavirus, doch geht von ihr nicht die Gefahr wie während der Pandemie in 2009 aus.“

Die Schweinegrippe hatte damals ein Impf-Chaos in Deutschland ausgelöst. „Wir waren mit einem völlig neuen Virus konfrontiert, der bereits im April und damit außerhalb der üblichen Jahreszeit aufgetreten war“, sagte Glasmacher. Zudem habe er sich rasend schnell, besonders unter jungen Menschen übertragen und ungewöhnliche Erkrankungsverläufe aufgezeigt. „Es war ein Hype um einen Erreger, der sich als weniger bösartig als gedacht herausstellte“, sagte Bergmann.

2009 waren in Berlin 8344 Erkrankungen an Schweinegrippe gemeldet worden – 2010 waren es bereits deutlich weniger, die meisten gab es im Frühjahr. 13 Menschen sind bislang in Berlin an der Schweinegrippe gestorben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte die Pandemie im August vergangenen Jahres für beendet erklärt.

Seit Beginn der aktuellen Grippesaison im Oktober 2010 bis zum Freitag vergangener Woche wurden in Berlin 670 Influenza-Fälle gemeldet. Darunter 451 Schweinegrippefälle. „Das ist nicht viel für vier Monate“, sagte Dittmar. Verlässliche Zahlen zu Infektionen und Todesfällen gibt es jedoch nicht, da die Schweinegrippe nicht länger meldepflichtig ist. Das verstorbene Mädchen aus der Uckermark ist 2011 der erste offizielle Todesfall in Brandenburg.

Ihre Schule kann nach den Winterferien mit psychologischer Hilfe rechnen. Dieses Angebot hatte das Bildungsministerium in Potsdam am Dienstag der Grundschule gemacht. Es sei wichtig, mit den Kindern über den Tod des Mädchens zu reden, sagte Ministeriumssprecher Stefan Breiding. Alle Schulen würden jetzt auf die aktualisierten Verhaltensmaßnahmen bei Schweinegrippe hingewiesen.

Während der saisonalen Grippewellen werden in Deutschland schätzungsweise fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung infiziert. Dabei erkrankt aber nicht jeder Infizierte oder geht mit seiner Erkrankung zum Arzt. In der Regel sind besonders ältere Menschen von einer gängigen saisonalen Grippe gefährdet. Beim Schweinegrippevirus ist das anders: Betroffen sind vor allem junge Menschen. „Insgesamt sind im vergangenen Jahr zwar mehr ältere Menschen daran gestorben, aber es haben sich mehr junge Menschen infiziert“, sagte Bergmann. Es scheint, als hätten Ältere eine Art immunologisches Abwehrgedächtnis gegen das Virus entwickelt.

Dieses Jahr hätte jedoch bereits ein Großteil der Bevölkerung schützende Antikörper gegen das Virus aufgebaut, sagte Glasmacher. „Zum einen, weil sie die Infektion bereits durchgemacht oder sich geimpft haben.“

Eine Schutzimpfung empfiehlt Bergmann vor allem chronisch Kranken aller Alterstufen, Schwangeren, Menschen über 60 Jahre und Medizinpersonal. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte hatte hingegen empfohlen, den gesamten Nachwuchs zu immunisieren.

Da der Höhepunkt der Influenzawelle noch bevorstehe, sei eine Grippeschutzimpfung auch jetzt noch sinnvoll, sagte Glasmacher. Zumal der Impfstoff auch gegen die Schweinegrippe schütze. Die Zeit bis zum kompletten Aufbau des Schutzes betrage bis zu zwei Wochen. Informationen zur aktuellen Situation könnten dem wöchentlichen Bericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am Robert-Koch-Institut entnommen werden.

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