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Informationsbüro: Scientology eröffnet Zweigstelle in Spandau

Die umstrittene Organisation Scientology hat einen Mietvertrag für ein Informationsbüro in Spandau abgeschlossen. Das Bezirksamt wurde von Einzug überrascht, die Nachbarn sind empört. In der Umgebung befinden sich Schulen und Kitas.

Auf den ersten Blick wirkt der Laden in der Charlottenstraße 7 in der Spandauer Altstadt wie eine Videothek. Auf den zweiten Blick wird schnell klar, um was es wirklich geht: Pappaufsteller im Schaufenster informieren über die vermeintliche „Scientology-Religion“. Neben Informationen über die „Ziele der Dianetik“ werden Bücher von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard angeboten. Ein Aufsteller hinter der Eingangstür zeigt US-Schauspieler Tom Cruise, das wohl bekannteste Mitglied der Organisation.

Am Karfreitag ist der Laden geschlossen, trotzdem nutzen viele Spandauer den Feiertagsspaziergang, um einen Blick auf die Filiale zu werfen. „Schöne Nachbarschaft“, sagt eine ältere Dame, „ich bin entsetzt“. Ein älterer Herr spricht sie an: „Wenn die da oben pennen, was sollen wir uns aufregen“, sagt er und meint die Aussage des Spandauer Bezirksamts, erst zu spät davon erfahren zu haben, dass Scientology den Laden gemietet habe. „Bei Bürgermeister Buschkowsky in Neukölln wäre sowas nicht passiert“, setzt der Mann nach. Ein Ehepaar wohnt im Nachbarhaus, für das die gleiche Hausverwaltung zuständig ist: „Ich werde da anrufen und fragen, an was für Leute die da vermieten“, sagt die Frau. Auch sie ist entsetzt. Aus dem Fenster habe sie beobachtet, dass eigentlich alle Passanten empört sind, wenn von Scientology-Mitarbeitern angesprochen würden.

Die Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes, Isabelle Kalbitzer, sieht das gelassener. Scientology habe seit Längerem angekündigt, die Propaganda in Berlin auszuweiten. „Die haben keine Erfolge vorzuweisen.“ Die Mitgliederzahlen stagnierten. „Die Berliner sind zum Glück widerstandsfähig und lassen sich nicht so leicht von merkwürdigen und gefährlichen Ideologien überzeugen“, sagt Kalbitzer. Die Organisation habe 200 bis 250 Mitglieder in Berlin. Sowohl der Verfassungsschutz als auch die Senatsverwaltung für Inneres arbeiten eng mit der Leitstelle für Sektenfragen zusammen. Man setze auf Aufklärung der Bürger.

In der bei der Senatsverwaltung für Bildung angesiedelten Leitstelle werden die Bürgeranfragen zu Sekten und Weltanschauungsorganisationen gebündelt und koordiniert, sagt der Sprecher der Bildungsverwaltung. „Wenn sie nicht in unseren Bereich fallen, leiten wir sie an die jeweiligen Stellen weiter.“ Zum Beispiel an die Innenverwaltung oder den Verfassungsschutz. Die Leitstelle versuche auch selbst, die Berliner mit Informationen zu versorgen. Im aktuellen Fall setze sich die Leitstelle mit den drei Schulen und Kitas in der Umgebung des Ladens in Verbindung. Dabei werde auf die Wünsche der Einrichtungen eingegangen. Bei Bedarf könnten etwa spezielle Elternabende abgehalten werden.

Ein Mann in einem schwarzen Sakko kommt am Laden vorbei. „Ich habe selbst mit Scientology zu tun gehabt“, erzählt er. Es fange immer harmlos an. „Mit einem kostenlosen Test, der die persönlichen Stärken und Schwächen herausarbeiten soll.“ Dazu werde man auch an eine Art Lügendetektor angeschlossen. Weitere Sitzungen kosteten dann. „Die Leute, die in den Strudel geraten, sehen darin keine Gefahr“, sagt der Mann. Aber genau dies mache Scientology so gefährlich. Die Organisation zerstöre Menschen. „Die geben sich auf.“ Er selbst habe den Absprung geschafft. Aber er habe sich für tot erklären lassen müssen. Sei man erst einmal involviert, sei es „heftig“, wieder herauszukommen.

Sie erreichen die Leitstelle für Sektenfragen des Senats unter Telefon 9026-5574

Florian Ernst

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