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Farbenspiele. Wegen der vielen inhaltlichen Überschneidungen von SPD und Grünen wünschen sich beide Parteien eine Koalition. Wenn da nicht der Streit um die A 100 wäre.

© dpa

Interview: "Die Grünen müssen sich bewegen"

SPD-Landeschef Michael Müller will schnell mit Koalitionsverhandlungen beginnen – aber nur, wenn der potenzielle Partner Entgegenkommen zeigt

Herr Müller, wo waren Sie Freitagabend?

Ich habe den Geburtstag meiner Mutter gefeiert.

Sie haben nicht live verfolgt, wie die Grünen darüber diskutieren, ob man mit der SPD zusammen die Stadt regieren will?

Nicht live. Aber ich habe Kontakt gehalten, war informiert, und ich begrüße die Entscheidung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

Haben Sie in den vergangenen Tagen eigentlich mal wieder Kontakt mit CDU-Chef Frank Henkel aufgenommen?

Nein. Wir hatten nach den Sondierungsgesprächen einmal kurz telefoniert, ansonsten nicht miteinander gesprochen.

Dabei sieht es ja im Moment so aus, als könnte er doch noch ein ernsthafter Gesprächspartner für eine mögliche Koalition werden. Der Grünen-Parteitag hat sich am Freitag festgelegt, keinem Koalitionsvertrag zuzustimmen, der den Weiterbau der A 100 festschreibt. Sie wollen den Weiterbau festschreiben. Wir kommen Sie da raus, ohne dass einer der beiden potenziellen Koalitionäre das Gesicht verliert?

Wir wollen am Dienstag vor Aufnahme der Koalitionsgespräche gemeinsam bewerten, wie die Situation nach dem Parteitag ist. Die Grünen müssen sich in der Sache bewegen. Es geht nicht, dass sie in den Sondierungsgesprächen den Satz formulieren: Der Bau der Autobahn wird grundsätzlich nicht aufgegeben. Und dann beinhaltet der Satz für sie nie die Option des Weiterbaus – egal wie die Gespräche mit dem Bund ausgehen. Das ist ein Widerspruch, den die Grünen auflösen müssen.

Und die SPD muss den Grünen nicht weiter entgegenkommen?

Das sind wir. Wir haben ja einen Kompromiss angeboten, nämlich dass wir über eine andere Verwendung der Mittel mit dem Bund reden. Und wenn das klappt, wird die A100 nicht gebaut. Das ist unser Entgegenkommen. Aber wo ist das Entgegenkommen der Grünen?

Wussten Sie schon vor den Sondierungsgesprächen, dass der Bund eine Umwidmung der Autobahngelder kategorisch ablehnt und rechtlich für unmöglich erklärt?

Nach all unseren Gesprächen und Hinweisen waren wir skeptisch. Die Grünen haben im Wahlkampf aber gesagt, sie hätten eindeutige Hinweise, dass es geht. Daher haben wir uns auf den Kompromiss eingelassen. Wir haben nichts dagegen, dass alle Varianten geprüft werden.

Haben Sie die Grünen in eine Falle laufen lassen, indem Sie zuließen, dass sie sich unrealistische Hoffnungen machen?

Nein. Wir haben uns bereit erklärt, aktiv und ernsthaft den Weg zu versuchen, den die Grünen im Wahlkampf angekündigt haben. Das gilt nach wie vor.

Wie weit will die SPD die A 100 explizit im Koalitionsvertrag verankert wissen?

Die Inanspruchnahme der 400 Millionen Euro Bundesmittel muss eine Rolle spielen. Wir haben 13 Prozent Arbeitslosigkeit, da kann es uns nicht egal sein, was mit so einer Investitionssumme passiert.

Kann sich Ihre Partei auf ein Moratorium einlassen, wie es die Grünen wollen?

Es kann doch kein Weg sein, für Berlin 400 Millionen Euro in Aussicht zu haben und so lange auf Zeit zu spielen, bis sich andere Länder das Geld nehmen. Hier geht es nicht nur um ein paar Kilometer Autobahn, sondern um die Frage: Wie ist die Grundlage für eine fünfjährige Zusammenarbeit? Beide Seiten müssen daran interessiert sein, die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt voranzutreiben. Dafür ist die A 100 ein Synonym.

Helfen Sie uns: Was waren noch mal die Gründe, wieso Ihre Partei mit den Grünen zusammen regieren will?

Die Antwort lesen Sie auf der nächsten Seite.

Michael Müller (46) ist seit 2001 Fraktionschef der Berliner SPD im Abgeordnetenhaus und seit 2004 auch Landesvorsitzender der Partei. Er wird als künftiger Senator gehandelt.
Michael Müller (46) ist seit 2001 Fraktionschef der Berliner SPD im Abgeordnetenhaus und seit 2004 auch Landesvorsitzender der Partei. Er wird als künftiger Senator gehandelt.

© dapd

Vor allem in der Bildungspolitik haben wir identische Vorstellungen über die Ausstattung der Schulen, über die Schulstruktur. Da ziehen wir an einem Strang. Auch bei der inneren Sicherheit, beim Konzept der Deeskalation, dass wir transparent mit Daten umgehen wollen, die Bürgerbeteiligung stärken, wie wir das soziale Zusammenleben in der Stadt organisieren wollen ...

Was wäre das große rot-grüne Projekt?

Es zeichnet sich ab, dass wir beide mit unseren Schwerpunkten Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt und Umwelt eine Menge in der Stadt bewegen könnten. Dass wir viele Arbeitsplätze gerade auch durch Klimaschutzmaßnahmen schaffen. Dass wir das soziale Berlin stärken könnten. Das wären herausragende Themen – darum wollen wir ja auch die Koalition.

Im Moment scheint es, als stünden sich bei den Gesprächen über die Regierungsbildung vor allem zwei Alphatiere gegenüber, die beide eher den Druck erhöhen als einen Kompromiss suchen – welche Bedeutung haben die Personen Klaus Wowereit und Volker Ratzmann für die Verhandlungen?

Eine große Bedeutung. Es wird in einer Koalition immer Krisen geben. Und die sind dann von Personen zu meistern. Deswegen ist es wichtig, dass man auch persönlich miteinander kann. Ich glaube, es ist grundsätzlich auch mit den handelnden Personen der Grünen möglich, aber ein ständiges verbales Aufrüsten hilft da nicht. Darüber muss sich die Grünen-Spitze im Klaren sein.

Allerdings ist ja auch bei Wowereit ein verbales Aufrüsten zu bemerken.

Klaus Wowereit macht im Moment deutlich, was wir gemeinsam in der SPD abgestimmt haben. Das Wahlprogramm hat nicht Wowereit alleine beschlossen.

Sollte es zu einer Koalition mit den Grünen kommen – befürchten Sie, dass sich in deren Politikstil immer mal wieder eine Denkweise durchsetzt, die Michael Cramer am Freitag so umschrieb: „Auch mit Neinsagen kann man Erfolge erzielen“?

Die Grünen sind hin- und hergerissen, welche Rolle sie spielen wollen. Wenn man regiert, kann man nicht immer Nein sagen. Man muss auch stehen in Situationen, die für die eigene Partei schwer sind, aber die die Stadt voranbringen. Da müssen sich die Grünen klar darüber werden, ob sie wirklich Regierungspartei sein wollen.

Das Gespräch führte Lars von Törne.

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