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Immer teurer. Die Fahrpreise im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, zu dem BVG und S-Bahn gehören, steigen weiter.

© dpa

Interview VBB-Chefin Susanne Henckel: Die nächste Preiserhöhung bei BVG und S-Bahn wartet schon

Energie ist billiger geworden, aber Fahrgäste von Bahn und Bus merken davon nichts – warum nicht? Susanne Henckel, die Chefin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, hat eine Erklärung dafür.

Frau Henckel, nicht einmal drei Monate nach der jüngsten Preiserhöhung planen Sie in Ihrem Haus für 2016 schon die nächste Runde. Ist das gerechtfertigt? Immerhin sind die Energiepreise gesunken, mit denen bisher meist höhere Preise begründet worden sind.

Der VBB-Tarif wird nach einem Index berechnet, der den Kostenanstieg der Verbraucher- und Energiepreise der vergangenen 60 Monate berücksichtigt. Der Dieselpreis ist zwar gesunken, doch wir fahren ja auch mit Strom. Und hier sind allein durch die Mehrbelastung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz die Kosten für die Verkehrsbetriebe erheblich gestiegen.

Die Fahrgäste von Bahn und Bus sollen das nun ausgleichen?

Die Fahrgäste leisten durch den Kauf der Tickets ihren Beitrag zur Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs – im Fachjargon sprechen wir von der sogenannten Nutzerfinanzierung – die nur rund 46 Prozent der tatsächlichen Gesamtkosten abdeckt. Der andere Teil, die noch fehlenden 54 Prozent, wird aus Steuergeldern finanziert. Steigende Kosten bei den Verkehrsunternehmen, zum Beispiel durch höhere Löhne, Abgaben oder Investitionen, müssen von beiden Seiten getragen werden, von der öffentlichen Hand und den Fahrgästen. Auch im nächsten Jahr, und das ist ziemlich klar, wird es eine Tarifanpassung geben.

Auch wenn in Berlin Wahlen angesetzt sind? Zuletzt waren Tariferhöhungen in Wahljahren in Berlin und Brandenburg ja ausgesetzt worden.

Wir brauchen eine solide finanzielle Ausstattung, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Jedes Jahr zählen wir mehr Fahrgäste – das ist sehr erfreulich, heißt aber auch gleichzeitig, dass wir mehr Bus- und Bahnangebote brauchen. Die Preise müssen regelmäßig erhöht werden – auch in einem Wahljahr.

Bereits zum 1. Januar 2016?

Wann die nächste Tarifanpassung umgesetzt wird, ist noch nicht entschieden. Wir wollen das dann auch mit Änderungen am Tarifsystem verbinden, um es einfacher zu machen. Und dazu brauchen wir noch Zeit.

Ist der VBB-Tarif in Berlin also doch nicht so einfach zu verstehen?

Er ist einfach. Wir müssen den Kunden aber deutlicher machen, wie sie zu den günstigsten Angeboten kommen. Etwa für Bahn-Card-Inhaber, die auch bei uns günstiger fahren können. Oder für Gruppen. Ein großer Fortschritt ist der Fahrscheinkauf per Handy mit nur einem Klick. Hier müssen wir weitermachen.

Wäre es nicht noch einfacher, das sogenannte Bürgerticket einzuführen, bei dem alle Berliner einen Pauschalbetrag zahlen, egal, ob sie Bahn und Bus fahren oder nicht?

Es ist gut, dass wir uns Gedanken machen, wie der Nahverkehr in Zukunft finanziert werden kann. Wir haben hier einen gut funktionierenden Verkehrsverbund, der sich über zwei Länder erstreckt, um den uns viele beneiden. Und den sollten wir nicht auseinanderrupfen, nur um im Stadtgebiet von Berlin eine Flatrate anbieten zu können. Es müsste dann komplizierte Regelungen für diejenigen geben, die mit ihrer Flatrate über Berlin hinausfahren wollen, zum Beispiel nach Potsdam oder Cottbus, oder auch für diejenigen, die in Berlin nicht gemeldet sind, wie eben auch eine Vielzahl der Fahrgäste im Verbundgebiet.

Von 40 Euro auf 60 Euro soll bundesweit noch in diesem Jahr auch das erhöhte Beförderungsentgelt – also die Strafe für ertappte Schwarzfahrer – steigen. Ist das sinnvoll? Ein Großteil der Fälle sind doch Fahrgäste, die irrtümlich einen falschen Fahrschein gekauft oder eine Zone zu weit gefahren sind.

Der Anteil derjenigen, die bewusst ohne Fahrschein unterwegs sind, ist immer noch zu hoch. Den Verkehrsunternehmen entstehen so jedes Jahr Verluste in Millionenhöhe. Selbstverständlich beschäftigen wir uns auch mit den sogenannten Graufahrern, die aus Versehen kein gültiges Ticket vorweisen können.

Wie könnte denn hier eine Lösung aussehen?

Wir müssen das immer vom Einzelfall abhängig machen. Ich beneide die Kontrolleure der einzelnen Verkehrsunternehmen hier nicht, die jedes Mal eine Entscheidung treffen müssen. Es gibt auch viele Ausreden, die sie dann einordnen müssen. Auf der anderen Seite erwarten Fahrgäste, die vorschriftsmäßig bezahlt haben, aber auch, dass ihre Mitfahrer ebenfalls den üblichen Preis bezahlen.

Der von Jahr zu Jahr steigt, ohne dass auch immer das Angebot besser wird.

Wir verbessern es, wo immer wir es können. Und auch die S-Bahn ist wieder auf einem guten Weg, was Umfragen bestätigen. Fahrgäste haben ihr zuletzt die Note 2,46 gegeben. Das ist der zweitbeste Wert seit Beginn der Messungen 1996. Natürlich muss die S-Bahn aber noch besser werden – vor allem bei der Pünktlichkeit.

Die Fahrgäste sollen also mehr zahlen. Gleichzeitig weigert sich der Bund, seine Zuschüsse zu erhöhen. Passt das zusammen?

Überhaupt nicht, wie gesagt, auch die öffentliche Hand muss ihren Beitrag leisten. Wir erarbeiten gerade die neuen Fahrpläne für den Eisenbahnregionalverkehr, die Ende März fertig sein müssen. Doch das ist fast unmöglich, weil kein Bundesland derzeit in Deutschland weiß, wie viel Geld – die sogenannten Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr – es vom Bund in den kommenden Jahren erhalten wird. Dabei hat der Bund immer noch nicht verstanden, dass sogar die Mittel in der Vergangenheit nur deshalb ausgereicht haben, weil wir noch Möglichkeiten hatten – auch durch die Effizienzerhöhungen zum Beispiel in neuen Verkehrsverträgen. Damit ist jetzt aber Schluss, es sind keine Reserven mehr im System.

Müssen Sie das Angebot etwa einschränken oder bei der Bahn sogar Strecken stilllegen, wenn der Bund sich weiter nicht bewegt?

Das wäre gar nicht so einfach. Wir können nicht einfach aus bestehenden Verträgen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen aussteigen, weil wir dann Ausgleichszahlungen leisten müssten. Am Ende gäbe es ein schlechteres Angebot – und die Einsparungen würden durch wegbleibende Fahrgäste weiter minimiert – ein Teufelskreis. Das kann auch der Bund nicht wollen.

Ist es unter diesen Unwägbarkeiten möglich, den Verkehr ins Umland zu verbessern?

Die Hauptstadtregion entwickelt sich dynamisch. Konkrete Zusagen gibt es derzeit nicht, aber wir müssen unsere Planungen auf diese Dynamik ausrichten. Gegenwärtig arbeiten wir an den Planungsgrundlagen, die wir für Entscheidungen zur Optimierung unseres Nahverkehrssystems brauchen.

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