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Eins auf die Mütze. Am Freitag zeigten Brandenburger Fluglärmgegner vor dem Roten Rathaus in Berlin, dass sie keine Ruhe geben wollen. Foto: dpa

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Berlin: Jetzt schimpfen alle auf Wowereit

Die Opposition bewertet die Wutrede gegen Platzeck als Frustabbau und Ablenkung in eigener Sache.

Berlin - So schnell kühlt Parteifreundschaft aus. Klaus Wowereits Pöbelei im Abgeordnetenhaus gegen den brandenburgischen Genossen Matthias Platzeck dürfte Folgen haben – vor allem für die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat des Möchtegern-Flughafens BER. In der Plenarsitzung am Donnerstag hatte sich Wowereit empört: „Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich Brandenburg vom Acker macht.“ Platzeck will wie berichtet Gespräche über ein längeres Nachtflugverbot führen – doch Wowereit fände es „fatal und falsch“, von den Vereinbarungen über Flüge in den Tagesrandzeiten abzuweichen.

Politisch steht Wowereit mit seiner Attacke auf Platzeck und dessen Brandenburger SPD-Linke-Koalition indes alleine da. Abgesehen von der im Berliner Abgeordnetenhaus nicht mehr existierenden FDP hat die politische Konkurrenz für Wowereits Attacke wenig Verständnis. Im Umgang mit dem erfolgreichen Volksbegehren zu den Nachtflügen zeige sich der Unterschied zwischen Wowereit und Platzeck, sagte Udo Wolf, Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus. Wowereit rede immer nach dem Motto: Ich weiß, was gut für die Leute ist. Platzeck hingegen habe verstanden, dass er den Protest gegen die Nachtflug-Möglichkeiten ernst nehmen und jetzt verhandeln muss.

Wie wütend ist Wowereit wirklich über Platzecks Verständnis für die Nachtflug-Gegner? Hat die Rochade im BER-Aufsichtsrat nicht funktioniert? Platzeck statt Wowereit als Aufsichtsratschef – das bedeutet neuerdings, dass Brandenburg und Berlin nicht mehr in dieselbe Richtung arbeiten. Die Rücktrittsforderung von CDU-Fraktionschef Florian Graf an Platzeck zeigt – zumindest aus Sicht des Linken-Politikers Wolf –, dass die Union weiter versuche, die SPD-Aufsichtsräte „sturmreif zu schießen“. Wie unterkühlt das Gesprächsklima tatsächlich ist, wird sich zeigen. Linken-Fraktionschef Wolf hat Wowereit am Freitagvormittag bei einem Empfang des DGB gehört – da habe er rhetorisch „deutlich abgerüstet“.

Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop hat Wowereits Schimpf-Worte als Fluchtversuch verstanden. Der Angriff auf Platzeck solle davon ablenken, dass der Flughafen ganz andere Probleme hat – „für die er verantwortlich zeichnet“, sagte die Grünen-Politikerin. Der Flughafen-Fachmann der Piratenfraktion, Martin Delius, hört aus Wowreits Worten dagegen eher Frustration heraus: Wowereit habe mit dem Wechsel von ihm zu Platzeck im BER-Aufsichtsrat endlich aus dem Fokus allen Ärgers über den Problemflughafen entkommen wollen – nun sei er wieder mittendrin, weil Platzeck ihm, der sich gegen den Bürgerwillen in Sachen Flugrouten und Lärm positioniert hatte, Verhandlungen aufzwinge. Verhandlungen, mit denen man es sich so schwer nicht machen müsse, meint Delius.

Das Problem deutlich machten am Freitag auch etwa 60 Fluglärmgegner aus Brandenburg, die vor dem Roten Rathaus demonstrierten. „Aufwachen Berlin“, stand auf ihren Plakaten. Und: „Wer jetzt schläft, wird künftig keine Ruhe finden.“

Wirtschaftlich wird der BER, so er denn mal eröffnet wird, zunächst nicht gegen die Flughäfen von Frankfurt am Main und München ankommen. Und als „Tor zum Osten“ hat Berlins Flughafen aus Sicht von Delius keine Chance – „das ist längst Wien“.

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