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Jubiläum: Berliner Behindertenverband feiert 20-jähriges Bestehen

In Lichtenberg wurde am 15. Januar 1990 nicht nur die Stasi-Zentrale besetzt. Im Gründungsfieber der Bürgerrechtsinitiativen und neuen Parteien zur Wendezeit wurde an diesem Tag auch eine Organisation ins Leben gerufen, die für Behinderte in Ost- und West-Berlin sprechen wollte.

Ilja Seifert erinnert sich an den Winterabend, an dem viele West-Berliner „in den tiefsten Osten nach Lichtenberg“ gekommen waren: „Der Saal war rappelvoll, und wir waren umringt von Fernsehkameras.“ In der Carl-von-Linné-Schule für Körperbehinderte entstand der Berliner Behindertenverband „Für Selbstbestimmung und Würde“ (BBV). In der DDR hatte es zuvor keine vergleichbare Vereinigung gegeben. Heute sitzt Seifert als behindertenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Für Freitagabend hat der BBV-Vorsitzende die rund 300 Mitglieder eingeladen – um am Gründungsort das Jubiläum zu feiern. Der promovierte Germanist war als Jugendlicher bei einem Badeunfall verunglückt und ist seitdem querschnittsgelähmt. „Ich finde es wichtig, dass Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, sagt er. Etwa, wenn die einen von Nachteilsausgleichen wie dem Blindengeld profitierten, andere aber nicht. Ihm selbst sei es auch zu DDR-Zeiten gut gegangen, er habe Arbeit und eine eigene Wohnung gehabt. Lebensumstände, von denen andere Behinderte damals nur träumen konnten: Viele lebten zu DDR-Zeiten in Heimen, in denen sie eher verwahrt als gefördert wurden.

Mit der Situation in Berlin ist Seifert eigentlich zufrieden: „Wir haben im öffentlichen Nahverkehr viel erreicht, zum Beispiel sind fast alle Busse barrierefrei.“ Froh sei er auch über abgesenkte Bordsteine und die behindertenfreundlichen Toiletten, die die Firma Wall in der Stadt aufgestellt hat. Sorgen machen dem BBV dafür einige Neubauten, wie die neue Zentralbibliothek der HU. „Rollstuhlfahrer und Sehbehinderte kommen in dem Gebäude nur schlecht zurecht“, sagt Seifert. Der zwischen den Ost- und Westmitgliedern heute kaum noch Unterschiede bemerken kann: „Aber vor 20 Jahren haben uns die Westler gezeigt, wie man demonstriert.“ Und die Ostmitglieder hätten gezeigt, „wie man eine Demo auch zu Ende führt.“ rni

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