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Stein des Anstoßes: Weil ein Maserati als Dienstwagen genutzt wurde, geriet die Treberhilfe in die Kritik. Jetzt geriet ein weiterer freier Träger ins Visier der Staatsanwaltschaft.

© dpa

Jugend- und Fürsorgewerk: Wieder ein freier Träger im Visier der Staatsanwälte

Gegen den Chef des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks wird wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Die Mitglieder fordern Aufklärung vom Vorstand bei der Versammlung am Sonntag.

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Vorstandsvorsitzenden der gemeinnützigen Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk-AG (EJF), Siegfried Dreusicke, wegen des „Verdachts der Untreue“. Dies bestätigte der Sprecher der Strafverfolgungsbehörde Martin Steltner auf Anfrage. Hintergrund der Vorwürfe sei ein mutmaßlicher Interessenkonflikt des gemeinnützigen Unternehmers. Dreusicke soll als Rechtsanwalt eine Baufirma beraten und dafür Honorare erhalten haben. Die Baufirma soll ihrerseits Aufträge bekommen haben von der gemeinnützigen Gesellschaft, der Dreusicke vorsteht.

Dreusicke erklärte auf Anfrage, ihm seien keine staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn oder das EJF bekannt. Zu den Vorwürfen selbst schreibt er: „Meine frühere Tätigkeit als Rechtsanwalt für eine Baufirma stand in keinerlei Zusammenhang mit einem Bauvorhaben der EJF gemeinnützigen AG.“ Der eigenständige Träger, der dem diakonischen Auftrag der evangelischen Kirche verpflichtet ist, erwirtschaftet Erträge durch Kinder- und Jugendarbeit, die überwiegend vom Land Berlin bezahlt wird. Im vergangenen Jahr schrieb die Gesellschaft einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro.

Innerhalb des EJF-Vereins sorgen die Vorgänge für Unruhe. Zur nächsten Versammlung am 17. Oktober reichte ein Mitglied einen Antrag ein und fordert darin die „Überprüfung sämtlicher anwaltlichen Mandate, die Herr Dreusicke für die Baugesellschaft (oder verbundenen Unternehmen) seit Beginn 2006, geführt hat“.

Das EJF besteht ähnlich wie die Treberhilfe aus zwei gemeinnützigen Einrichtungen: einer gemeinnützigen Gesellschaft und deren alleinigem Aktionär, einem Verein. Dreusicke ist Vorstandsvorsitzender der Aktiengesellschaft, die für ihre gute Arbeit in zahlreichen Kitas sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen bekannt ist. Zu den EJF-Werken, deren Arbeit als vorbildlich gilt, gehören aber auch Seniorenwohnungen und Freizeiteinrichtungen wie beispielsweise zwei Landhöfe sowie eine Familienfarm. Das EJF betreibt auch ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche in Brandenburg, das im Zusammenhang mit schärferen Maßnahmen gegen Intensivtäter als richtungsweisend gehandelt wurde.

Mitglied in dem EJF-Verein ist unter anderem Thomas Dane, der bis Ende September Chef der Diakonie Berlin-Brandenburg war. Er sagt: „Sollte wirklich ein Zusammenhang bestehen zwischen der anwaltlichen Beratungstätigkeit für eine Firma, mit der das EJF Geschäfte gemacht hat, dann wäre das etwas, was man als EJF-Geschäftsführer nicht tun sollte.“ Auch Werner Upmeier, ebenfalls Vereinsmitglied, kritisiert ein solches mögliches Geschäftsgebaren, welches Dreusicke allerdings bestreitet: „Das tut man nicht und es ist unsere Pflicht als Vereinsmitglieder, diese Sache ernst zu nehmen, um Schaden vom EJF abzuwenden.“ Bisher sei nicht bekannt, ob der Verein Schaden genommen habe. Deshalb müsse das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen abgewartet werden.

Dem langjährigen Chef des EJF Siegfried Dreusicke werden in der Branche große Verdienste um den Aufbau der Einrichtung zugesprochen. Zuletzt beklagten allerdings zwei Vereinsmitglieder, dass er Entscheidungen in kleinem Kreise treffe oder zumindest nicht zufriedenstellend abstimme. Einer von ihnen ließ deshalb die Berufung eines Volkswirtes aus Gera in den Vorstand der gemeinnützigen Aktiengesellschaft auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung setzen. Er und ein anderes Vereinsmitglied fühlten sich nicht ausreichend darüber informiert. Sie wollen wissen, ob es überhaupt eine reguläre Ausschreibung des lukrativen Postens gegeben hat und sie vermissen die fachliche Kompetenz des eingestellten Mittvierzigers in der gemeinnützigen sozialen und kirchlichen Arbeit.

Das EJF beschäftigt 2900 Mitarbeiter in 90 Einrichtungen in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bayern sowie im polnischen und tschechischen Grenzgebiet. Knapp 80 Prozent der Umsätze sind laut Geschäftsbericht „Leistungsentgelte der Kostenträger“ und 15 Prozent „Zuschüsse“ – überwiegend also Gelder der öffentlichen Hand.

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