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Berlin: Jugendämter fordern mehr Geld für Familienhilfe

Strengeres Sorgerecht reiche nicht aus: Eltern bräuchten bessere Unterstützung

Das Vorhaben der Justizminister, das Familienrecht so zu ändern, dass Eltern von straffälligen Kindern das Sorgerecht leichter entzogen werden kann, findet in Berlins Jugendämtern ein geteiltes Echo. „Das ist ein Schnellschuss aus einer gewissen Hysterie heraus. Ohne ein Gesamtkonzept zur Stabilisierung der betroffenen Familien bewirkt das nichts“, sagt Gerd Mager, Jugendamtsleiter in Spandau. Die Jugendamtschefin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Uta von Pirani, betont wie andere Fachkollegen, dass eine Gesetzesverschärfung in der Praxis nur dann bewältigt werden könne, „wenn nicht weiter bei pädagogischen Hilfen gekürzt wird“.

Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) hat sich in einer bundesweiten Arbeitsgruppe für eine Änderung des Familienrechts stark gemacht. Demnach soll Paragraph 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches so ergänzt werden, dass Eltern von unter-14-jährigen Kindern das Sorgerecht entzogen werden kann, wenn sie durch mehrere Straftaten auffielen. Zudem sollen Jugendämter Fristen einhalten. „Dies muss aber auch für die Gerichte gelten“, sagt Sigrid Klebba, Jugendstadträtin aus Friedrichshain-Kreuzberg (SPD). Zudem könne die Justiz schon jetzt Eltern krimineller Kinder das Sorgerecht entziehen. Doch nach Ansicht von Stadträten und Jugendamtsleitern urteilen Familienrichter oft viel zu milde, ziehen sich Verfahren gerade zum Nachteil von Kleinkindern über Jahre hin. „Und damit, dass man die Kinder aus der Familie nimmt, ändert man noch lange nichts bei den Eltern“, sagt der Spandauer Jugendamtschef Gerd Mager. Heimunterbringung als letztes Mittel sei zudem sehr teuer. Man müsse Eltern vielmehr von der Geburt der Kinder an dazu verpflichten können, bestimmte Angebote und Untersuchungen wahrzunehmen. Experten wissen, dass Eltern in den oft kinderreichen Familien froh seien, ihre Problemfälle los zu sein, dass sich aber in ihrem Erziehungsstil und Verantwortungsgefühl nichts ändert.

Neuköllns Schulstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD), der eng mit dem Jugendamt zusammenarbeitet, sagt, dass die Ämter auch nach einer Gesetzesverschärfung fast nichts in der Hand hätten, um unwillige Eltern zur Kooperation zu bewegen. Deswegen hält er es für sinnvoll, Mietzuschüsse – die vielfach für Alkohol und Handygebühren zweckentfremdet würden – künftig direkt den Vermietern zu überweisen.

Jugendamtsleiterin Uta von Pirani begrüßt die Initiative . „Wie wir das aber personell stemmen sollen, wenn in den nächsten fünf Jahren berlinweit 400 Stellen wegfallen, weiß ich nicht.“ Sie spricht sich dafür aus, Familienrichter künftig bestimmten Bezirken zuzuordnen. Neuköllns Jugendstadtrat Thomas Blesing (SPD), der bei seinen Sozialarbeitern und Familienhelfern seit 2003 rund 10 Millionen Euro einsparen musste, hält es aber „prinzipiell für sehr gut, dass die Hürden beim Sorgerechtsentzug niedriger werden sollen“.

Annette Kögel

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