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Jugendarbeit: Bezirke sehen ihre Chance gekommen

Berlin gibt zu wenig für Jugendarbeit aus, klagen die Bezirke. SPD und Linke denken nun über mehr Geld für Gewalt-Prävention nach - und hoffen auf Rückenwind durch die aktuelle Diskussion über den Umgang mit jungen Straftätern.

Von Sabine Beikler

Seit Jahren fordern die Bezirke mehr Geld für die Jugendarbeit – jetzt sehen sie ihre Chance gekommen. Beim heftigen Streit über den Umgang mit jugendlichen Straftätern verweisen die Bezirksoberen auf ihre knappen Budgets für Vorsorge- Maßnahmen, besonders seit Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) vergangene Woche freudig verkündet hat, dass das Land Berlin erstmals in seiner 58-jährigen Geschichte das Haushaltsjahr 2007 mit einem Plus von 80 Millionen Euro abschloss. Auch in der Landesregierung scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass angesichts der sozialen Probleme der Stadt mehr Geld für Präventionsarbeit ausgegeben werden muss.

„Hart gegen das Verbrechen, aber noch härter gegen die Ursachen“ haben die Sozialdemokraten als ihre Linie postuliert. Die Ursachen sind allseits bekannt: schwierige Familienstrukturen, oft ist häusliche Gewalt im Spiel, wenig Bildung, keine Arbeit, keine Zukunftsperspektiven. Die Reaktion der Landesregierung auf diese Ursachen war in den vergangenen Jahren auch hart und verlief analog zum Wehklagen der Bezirke: Es wurden Mittel gestrichen, und stramm wurde der Konsolidierungskurs des mit 60 Milliarden hoch verschuldeten Landes weitergefahren. Die Mittel für die Hilfen zur Erziehung wurden seit 2002 von damals 450 Millionen Euro auf zunächst 290 Millionen Euro gekürzt. Erst nach koalitionsinternen Debatten wurden die Mittel für die Bezirke noch einmal auf 319 Millionen aufgestockt. Zurück zur Ausgabenhöhe von vor sechs Jahren aber will die Koalition nicht mehr, da damals überproportional viele Kinder in teuren Heimen untergebracht wurden, statt ihnen mit preiswerteren ambulanten Angeboten zu helfen.

Ende des Monats fährt die SPD-Fraktion auf Klausurtagung nach Hamburg. Die Themen unter anderem: Sozialpolitik in Deutschland und die soziale Situation in den Stadtbezirken. „Ob man über den Haushalt jugendpolitische Korrekturen vornimmt, könnte dort eine Rolle spielen“, sagt SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller vorsichtig. Anfang Februar will sich der Senat mit sozialen Fehlentwicklungen in Berlin beschäftigen. Da passt es, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit jüngst als Leiter der in Gründung befindlichen SPD-Arbeitsgruppe „Große Städte“ berufen wurde.

Zwar sind die 80 Millionen Euro Plus im Haushaltsjahr 2007 schon fest für den Schuldenabbau vorgesehen und im Haushalt eingestellt. „Doch wenn wir feststellen, dass im Zuweisungssystem der Bezirke Ungerechtigkeiten auftauchen, müssen wir schauen, ob eine Umschichtung im Haushalt stattfinden kann“, sagt Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). Die Linke fordert von Wowereit einen „Metropolendiskurs“ und will im nächsten halben Jahr grundsätzlich über die Bezirksfinanzierung sprechen. „Wir brauchen politische Schwerpunkte. Dazu zählt auch die Jugendarbeit“, sagt Landeschef Klaus Lederer.

Man dürfe zwar nicht mit „Hysterie“ auf Vorschläge des hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch reagieren. „Die Debatte über Konzepte und Finanzierung der Jugendpolitik aber muss geführt werden.“

Das dürfte wiederum die Bezirke freuen. Auf einer Tagung im November haben die Bürgermeister die „dramatische Unterausstattung“ beklagt. Im Jugendbereich müssten bis 2010 jährlich 50 Sozialarbeiter eingestellt werden, um wirklich effektive Arbeit zu leisten. Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) setzt wie andere auf Prävention. „Die soziale Verwahrlosung schreitet mit Riesenschritten voran. Im Kampf dagegen darf nicht mehr gespart werden.“ Man müsse „so frühzeitig wie möglich mit Angeboten an die Familien herankommen“, sagt auch Monika Herrmann (Grüne), Jugendamtsleiterin in Friedrichshain-Kreuzberg. Sieben Millionen für Präventionsarbeit, für Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe im Bezirk seien zu wenig. Soziale Probleme könne man nur in den Griff kriegen, indem man „Geld wirklich anfasst“. Sabine Beikler

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