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Jerome Geller (20) macht eine Tischlerausbildung.

© Simon Grothe

Abitur in Berlin: Na dann lern doch erstmal was Ordentliches, Junge!

Jerome Geller hat sein Abitur mit einer guten Durchschnittsnote bestanden. Jetzt macht er eine Tischlerausbildung. Warum?

Ein Lehrer nimmt eine hölzerne Fußbank und schlägt sie auf den Tisch, an dem sie zersplittert, damit alle sehen, wie instabil und schlecht sie ist. Manchmal muss man wohl deutlich sein, damit es alle mitbekommen.

Ich bin einer der wenigen in meinem Jahrgang, der Abitur hat. Ich mache eine Ausbildung zum Tischler. Studieren wollte ich nicht. Keine Lust, den ganzen Tag rumzusitzen. Ich wollte etwas mit meinen Händen machen.

Zuerst habe ich ein Jahr in einem Café gearbeitet, tagsüber wunderschöne Latte Macchiato serviert, abends Cocktails. Irgendwann macht man sich dann aber Gedanken über die Zukunft und so. Mir gefiel die Vorstellung, etwas selber zu bauen, da ich mich durchaus als kreativ bezeichnen würde. Ich wollte auch weiterhin eine aktive Tätigkeit ausüben, denn das war ich aus dem Café gewohnt. Allerdings beeindruckte es mich, etwas zu erschaffen, das von Dauer war. Im Gegensatz zu einer Pina-Colada mit Schirmchen und einer Gumminascherei am Rand.

Ich erfuhr von der Tischler-Innung, einer Art-Tischlergewerkschaft, die eine Liste mit allen ausbildenden Betrieben hat. Ich fuhr mit der U-Bahn von Endhaltestelle zu Endhaltestelle, nur um zu erfahren, dass es die Liste auch online gibt. Ich entschied mich für einen Betrieb in meiner Nähe.

Jerome Geller ist von dem Gedanken beeindruckt, etwas schaffen, das von Dauer ist.
Jerome Geller ist von dem Gedanken beeindruckt, etwas schaffen, das von Dauer ist.

© Simon Grothe

Meine Tischlerklasse ist ein bunter Haufen. Die Alterspanne geht von 16 bis 27, von Leuten ohne Schulabschluss bis zu ehemaligen Studenten. Bei der obligatorischen Kennenlern-Veranstaltung gab uns das zweite Lehrjahr einen nützlichen Tipp: Wenn man von einem Meister angepöbelt wird, einfach zurück pöbeln. Allerdings waren einige in der Klasse nicht schlau genug damit zu warten, bis die Probezeit vorbei war. So hatten wir am Anfang eine hohe Fluktuation.

Morgens früh raus, abends todmüde

Die ersten Wochen in der Werkstatt waren sehr hart. Ich musste jeden Tag stundenlang mit der Hand sägen, bis sich auf den Blasen an der Handinnenfläche schon Blasen bildeten. Maschinen werden erst ab dem zweiten Lehrjahr benutzt. Mein Bizeps wuchs, und ich bekam tatsächlich ein Gefühl für Holz. Wie es sich beim Bearbeiten verhält und dass man auf keinen Fall die Hand zwischen der Säge und dem Holz haben darf.

Das erste größere Projekt war ein kleiner Tritt aus Kiefer. Ich war erstaunt, wie akkurat ich mittlerweile arbeiten konnte. Das stupide Üben hat sich also gelohnt. Jedoch stellte ich langsam fest, dass der Umgang mit den Meistern nicht einfach ist. Ein Tischlermeister ist unfehlbar und allwissend. Wenn er doch einmal eine falsche Anweisung gibt, ist grundsätzlich der Azubi schuld.

Seitdem ich die Ausbildung mache, hat sich mein Leben sehr verändert. Ich bin vorher nie regelmäßig um fünf Uhr morgens aufgestanden. Ich kam nie um 17 Uhr nach Hause und bin sofort eingeschlafen. Leider ist es schwerer geworden, mit Freunden etwas zu unternehmen, die ab 20 Uhr erst richtig wach sind. Dafür werde ich ständig gefragt, ob ich nicht etwas für sie bauen kann. Und das hat nichts mit Drogen zu tun.

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Jerome Geller

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