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Manchen Smartphones sieht man das Alter nicht an, anderen dagegen sehr deutlich.

© Cyrill Callenius

Rasante Handyentwicklung: Oma Smartphone

Während Fans vor der Berliner Apple-Filiale campieren und auf das nächste Modell warten, macht sich unsere 19-jährige Autorin ganz eigene Gedanken zu ihrem mobilen Endgerät.

Gegen das Alter kann man bekanntlich nichts machen. Einzig bleibt, mit Erfahrung zu prahlen, doch von der will in der schnelllebigen Zeit heute doch niemand mehr etwas wissen. Die Erinnerungen verblassen, die Bilder verschwinden und werden woanders gespeichert, um noch irgendwie etwas Platz für Neues zu schaffen.

Ja, mein gebrechliches Handy ist sehr vergesslich geworden. Es sieht auch nicht mehr so gut, die Linse ist trüb. Sein langes Leben hat sich in tiefen Kratzern eingegraben.

Früher war alles besser

Vorbei sind die Tage, als es mich allmorgendlich mit frischer Ausstrahlung aus dem Bett vibrierte und mir der Klingelton noch so neu vorkam. Als man aus der Ringbahn die Berliner Aussicht fotografierte, um die Sonne festzuhalten, die man nie vergessen wollte, lustige Videos bei jeder Party machte und in jeder Stimmung das passende Lieblingslied hören konnte. Damals hielt sich der mahnende Speicherplatz mit seinen fiesen Drohungen noch zurück. Er ließ mein Handy und mich von einem Tag in den anderen leben und überließ uns der Maßlosigkeit, die uns jetzt im Alter zum Verhängnis wird. Nie haben wir in unserem jugendlichen Leichtsinn daran gedacht, irgendwann einmal kürzer treten zu müssen. Das waren noch Zeiten!

Beim Kauf dachte ich, dieses teure Handy wird bestimmt viele Jahre an meiner Seite sein. Damals wusste ich noch nicht, dass man das Alter eines Smartphones mal 30 nimmt. Nun, nach etwa zwei Jahren, bin ich also schon treue Altenpflegerin eines iPhone 4 – so heißt meine gebrechliche Oma. Ich stelle mich bereits darauf ein, dass das Gerät irgendwann durchgehend vom Ladekabel am Leben gehalten werden muss. Tatsächlich gibt es schon jetzt diese Momente, in denen es aus heiterem Himmel vor Erschöpfung abstürzt, sich nicht mehr regt, das Herz für einen Moment still steht. Immer dann merke ich, wie sehr wir doch aneinander hängen, sei es aus Liebe oder Gewohnheit.

Ein zweiter Frühling

Ich ertappe mich dabei, wie ich der jüngeren Generation, iPhone 5 und 6, unverhohlen hinterher schaue. Denn ich sehne mich heimlich nach einem größeren Bildschirm. Ich will ein Handy, das zu jedem Abenteuer bereit ist, gestochen scharf sieht und in der Lage ist, Schönes einzufangen. Ich will nicht mehr die sein, die immer noch den Link lädt, während die anderen schon über das neue Video lachen oder erstmal zwanzig Fotos löschen muss, wenn die anderen schon das große Spektakel filmen. Alles saust von A nach B, postet hier und synchronisiert da. Nur Oma iPhone hinkt hinterher.

Das neuere Modell, die jüngere Generation reizt mich immer mehr, doch wenn ich dann sehe, wie mein Handy  immer noch versucht, für mich sein Bestes zu geben, rührt es mich beinahe. "Keine Sorge, Omi. Wir halten durch!", verspreche ich.

Mein Iphone wird altersdiskriminiert!

Gerade die Gebrechlichen unter uns sollten doch den besten Schutz genießen. Wenn ich mich aber nach einer passenden Handyhülle umschaue, erlebe ich etwas anderes. Die Verkäufer überlegen lange, um sich dann doch irgendwann an dieses veraltete Ding zu erinnern: "Fürs iPhone 4? Dafür verkaufen wir leider keine Schutzhüllen mehr". Das "leider" hat mich gekränkt, für die Älteren hat niemand mehr Respekt übrig.

Doch für weitere Aufregungen reicht die Kraft nicht. Mein iPhone raunt mir beschämt zu, es müsse sich wieder ausruhen. Und mit fünf Prozent Lebenskraft, aber 100 Prozent Zusammenhalt, treten wir langsam den Heimweg an. Unterwegs eilen uns aufgeregt jüngere Handys entgegen, immer darauf bedacht, den Rest zu überholen. Scheint wohl wieder was los zu sein in der rasenden Welt. Nach einer kurzen Verschnaufpause sage ich mit Blick auf Oma iPhone weise: "Die werden auch noch früh genug alt!"

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Antonia Barthel

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