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Kühn

© Uwe Steinert

Junge Serientäter: Das Wort Härte mag der Neue nicht

Staatsanwalt Ingo Kühn wird die Abteilung 47 der Berliner Staatsanwaltschaft leiten und sich nun um Intensivtäter kümmern. Früher verfolgte der 45-Jährige Jugendbanden. Er folgt auf seinen umstrittenen Vorgänger Roman Reusch.

Als erstes kam eine Entschuldigung. „Tut mir leid, aber meine Stimme ist schon ein wenig lädiert.“ So stellte sich Oberstaatsanwalt Ingo Kühn – grauer Anzug, das grau melierte Haar akkurat gescheitelt – gestern vor, als er den Besprechungsraum im Kriminalgericht Moabit betrat. Der 45-Jährige ist seit Dienstag ein viel gefragter Mann: Das Telefon klingelt in einem fort, er wird um Interviews und Stellungnahmen gebeten. Nicht gut für die Stimme. Ab kommender Woche übernimmt der Jurist die Leitung der Intensivtäterabteilung 47 der Staatsanwaltschaft und folgt damit seinem umstrittenen Vorgänger Roman Reusch.

Dienstag hat Kühn erfahren, dass er der oberste Ankläger der so genannten Intensivtäter wird. Die Ermittler dort sind mit Fällen von jugendlichen oder heranwachsenden Serientätern betraut, die in einem Jahr mindestens zehn Straftaten oder eine schwere Gewalttat verübt haben. Erfahrung mit jungen Tätern hat Kühn bereits: Bis Ende der 90er Jahre hatte er in der Abteilung für Verkehrsdelikte – wo er auch die vergangenen eineinhalb Jahre tätig war – vor allem mit Jugendlichen zu tun: Banden, die Taxifahrer mit Messern attackierten oder Randalierern, die Steine von Autobahnbrücken warfen. 2004 wechselte der Ankläger für zwei Jahre als stellvertretender Leiter in eine der acht Abteilungen für allgemeine Jugendkriminalität.

So ganz neu ist dem Ankläger, der in Aurich (Ostfriesland) aufgewachsen ist und 1982 zum Jura-Studium an die Freie Universität nach Berlin zog, das Geschäft mit dem kriminellen Nachwuchs also nicht. Die Ablösung seines Vorgängers wollte Kühn gestern nicht kommentieren. Roman Reusch, Gründer der Spezialabteilung 47, hatte sich wegen seiner Äußerungen zur Jugend- und Gewaltkriminalität den Unmut seiner Vorgesetzten zugezogen. Von den Boulevardmedien wurde er als „Berlins mutigster Staatsanwalt“ gefeiert, weil er unter anderem forderte, ausländische Kriminelle viel häufiger außer Landes schaffen zu lassen. Und dass die Haft für besonders gewaltbereite Serientäter die einzige sinnvolle Maßnahme sei. Reusch wurde daraufhin ins Kammergericht versetzt.

Wird Kühn also mit ähnlicher Härte vorgehen?Der Oberstaatsanwalt schaut etwas verdattert und sagt dann: „Das Wort Härte, das gefällt mir nicht.“ Er sei davon überzeugt, dass die bestehenden Gesetze den Strafverfolgern „viel Spielraum“ ließen. „Wir müssen sie nur richtig ausloten und anwenden.“ Was seine neue Abteilung angehe, sieht Kühn nicht viel Aufholbedarf: In der 47 sei „über Jahre hinweg von allen Mitarbeitern fachlich gute Arbeit“ geleistet worden. Kühn wolle das „aufrecht er halten, eine gute Strafverfolgung machen und dabei sein volles Engagement einbringen“. Dass dies mit vielen Überstunden verbunden ist, sei ihm klar. Der verheiratete Vater eines Sohnes im Grundschulalter habe auch in den vergangenen Jahren oft bis in die Nacht am Schreibtisch gesessen.

So ist es auch bei Kühns wohl bislang spektakulärsten Fall gewesen: Er war es, der damals den Bahn-Erpresser anklagte, der 10 Millionen Mark von der Deutschen Bahn verlangt hatte und im Jahr 2000 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Lebenslänglich für einen Straftäter durchzusetzen, der kein Mörder oder Totschläger ist, das komme so gut wie gar nicht vor, sagt Kühn. Es klingt neutral – aber nicht ganz ohne Stolz.

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