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In Berlin ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Gefängniszellen – hier ein Bild aus dem Mittelbau der Justizvollzugsanstalt Moabit – drastisch reduziert worden.

© Marc Tirl/dpa

Justizvollzugsanstalten: In Berlins Gefängnissen wird's eng

Das Frauengefängnis ist überbelegt, auch bei den Männern reichen die Zellen kaum. Und Haftstrafen dauern in Berlin oft besonders lange.

Es wird voller in den Berliner Gefängnissen. Aktuell sind die 2820 Plätze in Männergefängnissen zu 95 Prozent belegt, das Frauengefängnis ist sogar mit 110 Prozent deutlich überbelegt. Das liegt aber nicht an gestiegenen Häftlingszahlen – es gibt schlicht weniger Zellen. Besonders spüren das die Frauen. Durch die Schließung der JVA in Pankow mit 60 Plätzen gibt es nur noch die 87 Plätze in Lichtenberg. 2014 saßen im März 144 Frauen im geschlossenen Vollzug, derzeit sind es nur noch 96. Die Justiz hatte bekanntlich aus Personalmangel im Mai 2015 das Pankower Gefängnis geschlossen. Das bekommen die Frauen jetzt durch die Überbelegung zu spüren.

Dramatisch ist die Situation bei den Männern in der U-Haft in Moabit. Hier sank die Zahl der Plätze innerhalb eines Jahres um fast 110 Plätze, die statistische Belegung stieg auf 99 Prozent. Zum Glück für die Justiz sank die Zahl der Untersuchungshäftlinge übers ganze Jahr gerechnet etwas. In den vergangenen Wochen hat es jedoch einen deutlichen Zuwachs gegeben. „Es sind in den letzten Wochen verstärkt Haftbefehle von der Polizei vollstreckt worden“, sagte eine Sprecherin von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) für den Bereich U-Haft.

Wie wäre es denn, wenn statt über mehr Knäste, die Verringerung der Kriminalität anvisiert würde? Diese Option scheint im 'Wertestaat' Deutschland wohl aus der Mode gekommen zu sein, denn da müsste eine echte Sozialpolitik betrieben werden.

schreibt NutzerIn Saatgut

Die Enge ist hausgemacht

In Tegel stieg die Zahl der Gefangenen etwas an, und zwar um 50. Im Vergleich zu früher sind die aktuell 845 Gefangenen wenig, 2009 zum Beispiel waren es 1570. Seitdem sind allerdings viele uralte Flügel geschlossen worden. Bekanntlich hatten Gerichte die zu kleinen Zellen als menschenunwürdig kritisiert und den Gefangenen Entschädigung zugesprochen.

Stattdessen ist im brandenburgischen Heidering vor drei Jahren ein neues Gefängnis auf der grünen Wiese errichtet worden. Von den 648 Zellen sind dort derzeit 602 belegt. Als Heidering geplant wurde, waren die Berliner Gefängnisse überfüllt. Als Heidering fertig war, war die durchschnittliche Belegung gesunken. Nun geht es wieder aufwärts.

Woran das liegt, lässt sich nicht sagen. Auch bundesweit gibt es deutliche Schwankungen, ohne dass es Erklärungen gibt. Angeblich „härtere Strafen“ taugen nicht zur Begründung. Dies ist mehrfach im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert worden. Steuerbar ist nicht die Zahl der Gefangenen, sondern nur die der Zellen. Die aktuelle Enge ist also hausgemacht. Die Sprecherin kündigte bei noch höherer Belegung „Maßnahmen zur Entlastung einzelner Justizvollzugsanstalten“ an. Details nannte sie nicht.

Zwei bekannte Ausbrecher sitzen wieder ein

Unterdessen sind zwei alte Bekannte wieder hinter Schloss und Riegel. Nach Informationen des Tagesspiegels sind die beiden Gefangenen, die im Sommer 2015 innerhalb von einer Woche aus Tegel verschwunden waren, festgenommen worden. Beide waren von Ausgängen nicht zurückgekehrt, beide Fälle hatten Schlagzeilen gemacht. Denn beide waren Redakteure der Gefangenenzeitung „Lichtblick“. Andreas R. wurde in Kassel festgenommen, weil er einen Mietwagen nicht zurückbrachte, dies schon im November. Die Berliner Justiz erfuhr davon erst vor Kurzem. Timo F. ist Ende des Jahres in Hamburg festgenommen worden und seit Januar zurück in Tegel. Die Justizverwaltung bestätigte Angaben von Gefangenen. Anders als R. hat sich F. nicht strafbar gemacht. Denn eine Flucht ist bekanntlich zwar nicht gerne gesehen, aber nicht strafbar.

Ihre Zellen waren kurz nach der Flucht geräumt und ihre Sachen „zur Habe genommen“ worden. Vor allem F. genoss in Tegel Prominentenstatus. Der 2009 zu langjähriger Haft verurteilte und als hochintelligent eingeschätzte Betrüger hatte für den „Lichtblick“ vor drei Jahren unter anderem Justizsenator Thomas Heilmann und Oberstaatsanwalt Ralph Knispel interviewt. F. hatte längere Zeit Lockerungen wie unbegleiteten Ausgang erhalten, diese sind nun gestrichen. Haftende war das Jahr 2018.

Andreas R. ist nach offiziellen Angaben bereits sechs Mal aus Tegel entkommen. Zwischen 1988 und 1994 floh er jeweils bei unbegleiteten Ausgängen, im Juni 1999 türmte er sogar trotz Bewachung. Zuletzt war er knapp der Sicherungsverwahrung entgangen. Seit 1984 saß er fast immer in Tegel ein. Seine Flucht hatte die Justiz ratlos gemacht, denn Haftende wäre im Mai 2016 gewesen. Für die neue Straftat in Kassel könnte es einen Nachschlag geben, zudem muss er natürlich die drei Monate in Freiheit nachsitzen.

"Lebenslang" dauert in Berlin oft länger als 15 Jahre

Zwei Zellen sind gerade durch Todesfälle leer geworden. „Wir sitzen hier bis zum Tod“ ist ein Satz, den man immer wieder aus Tegel hört. Der öffentlich kolportierte Satz, dass lebenslang nur 15 Jahre dauere, stimmt in Berlin oft nicht. Im Durchschnitt dauert es in Berlin 19 Jahre, dazu kommen oft zusätzliche Jahre für besonders schwere Vergehen. Am 13. März starb Hans-Joachim T. (56) nach mehr als 27 Jahren Haft in seiner Zelle in Haus 5.

Als er unter Mordverdacht im Februar 1989 festgenommen wurde, zeigte der Tagesspiegel ein Polizeifoto von „Blacky“. Den Spitznamen hatte der Rocker in Tegel bis zuletzt behalten. „Er war eine Respektsperson“, sagt einer, der sich auskennt in dem Gefängnis. Mit einem Komplizen hatte „Blacky“ einen Bekannten ermordet und diesen zuvor mit einem Messer verletzt, um die Preisgabe eines Geldverstecks zu erzwingen. Damit hatte T. juristisch die „besondere Schwere der Schuld“ auf sich geladen, was „lebenslang“ um mehrere Jahre verlängert.

Ebenfalls eine lange Knastkarriere hatte Martin G. Die letzten sieben Jahre saß der Räuber in Sicherungsverwahrung, die er wegen zahlreicher Vorverurteilungen 2005 vom Gericht erhalten hatte; er starb jetzt im Haftkrankenhaus. Und am Donnerstagabend dieser Woche ist Helmut K. von der Feuerwehr in ein Krankenhaus gebracht worden, Mitgefangene befürchten, dass er stirbt. Der heute 76-Jährige hatte 1971 und 1997 zwei Ehefrauen und zwischendurch einen Mitgefangenen getötet. Trotz seines hohen Alters kam er nach Verbüßen von 14 Jahren Strafhaft vor vier Jahren noch in Sicherungsverwahrung.

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