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Berlin: Käuflicher Mythos

Devotionalien zum Heft: Das Magazin „Tempo“ eröffnet einen Laden

Der kleine Raum im Erdgeschoss des sanierten Altbaus in Mitte ist kein Ort für schamhafte Menschen. Wer hier zwischen den Verkaufsregalen aus tausenden Zeitschriften und schweren Metallplatten steht, wer die Sprüche liest, die in schwarzen Lettern auf grauem Grund stehen, der sollte besser nicht verklemmt sein. Und prüde schon gar nicht. „Beim Deutschen scheitert das Onanieren schon am Know-how“, liest man da beispielsweise. Oder: „Der deutsche Intellektuelle ist ein altkluges, schwammiges Ekel.“

Vielleicht ist man solche Aussagen heutzutage schon eher gewohnt. In den 80er Jahren, als diese Schlagzeilen die Cover des Lifestyle-Magazins Tempo zierten, waren sie in ihrer Radikalität und Provokation jedoch neu. Nun, zwei Wochen vor Veröffentlichung der einmaligen Sonderausgabe des Heftes am 1. Dezember, prangen sie von den Wänden des Tempo Shops in Mitte – dem Laden zum Heft. Gestern Abend feierte er Eröffnung, in Beisein von Chefredakteur Markus Peichl. Er leitete das Blatt bis 1990 und verantwortet nun die Jubiläumsausgabe. Zur gestrigen Party hatte er langjährige Wegbegleiter wie die Autoren Maxim Biller und Claudius Seidl geladen.

„Der Shop soll den Spirit von Tempo auf die Straße tragen“, sagt Projektleiter Thorsten Herte. Gestaltet wurde der Laden von der Berliner Innenarchitektin Susanne Raupach. Zwei Monate lang, bis zum 10. Januar, kann man hier Tempo-Devotionalien kaufen. Jeans, Turnschuhe, Gläser oder Uhren sind im Sortiment, alle in einer Sonderedition, zum Teil extra von Künstlern und Designern angefertigt. DJ Fetisch hat zum Beispiel ein T-Shirt entworfen, die Edelmarke Kaviar Gauche eine spezielle Tasche aufgelegt. Besonderes Merkmal der Produkte: Sie sind mit dem rennenden Tempo-Männchen und dem Schriftzug des Magazins versehen. Zwischen zwei und 600 Euro kosten die Stücke. Das Gefühl, ein Stückchen Mythos des 1996 eingestellten Blattes in der Hand zu halten, ist natürlich unbezahlbar.

Chefredakteur Markus Peichl sagt, die Sonderausgabe zum 20. Jubiläum und der Tempo Shop sollen vor allem Spaß machen. Deshalb musste der Fernsehproduzent auch nicht lange überlegen, als die Idee an ihn herangetragen wurde. In den Räumen über dem Shop arbeitet er derzeit mit 15 Journalisten an dem Heft. Die Sache mit dem Mythos sieht Peichl gelassen: „Dem kann man ohnehin nicht gerecht werden.“

Chausseestraße 123, bis zum 10. Januar montags bis samstags 11 – 20 Uhr geöffnet

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