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Harte Zeiten. Obdachlose brauchen Unterstützung. Diesem Mann bringt die Kältehilfe gerade Kleidung vorbei.

© dpa/Maurizio Gambarini

Hilfsangebote: Kältehilfe betreut ab heute Berlins Obdachlose in Not

In Berlin startet die Kältehilfesaison: Für Wohnungslose öffnen von November bis Mitte März zusätzliche Notquartiere. Für warme Winterkleidung bitten die Einrichtungen um Geld- oder Sachspenden.

Als Dan-Christian Ghattas einige Jacken und Pullis vom vorigen Winter aus der Kleiderkammer holt, kann er sich vor Anfragen der Gäste kaum retten. Die Nachfrage bei den Wohnungslosen ist groß: Der eine möchte eine Kapuzenjacke, die Nächste eine der Jacken auf dem Kleiderständer. Doch Ghattas muss Nein sagen. Er hat einen Ausgabetermin festgelegt und angekündigt, der erst in drei Tagen bevorsteht – und alle sollen die Chance auf eine Jacke haben. Aber das den Gästen zu erklären, die vor der Kälte ins „Kaffee Bankrott“ geflüchtet sind, ist eine undankbare Aufgabe.

Ghattas ist Vorsitzender des Vereins mob e.V., zu dem das Obdachlosen-Magazin „Strassenfeger“ und das „Kaffee Bankrott“ in Prenzlauer Berg gehören. In den Räumen an der Prenzlauer Allee 87 gibt es auch eine Notübernachtung, sie ist 365 Tage im Jahr geöffnet.

Mit dem Start der Berliner Kältehilfesaison am heutigen Donnerstag machen neben den drei ganzjährig betriebenen Einrichtungen noch weitere Notübernachtungen sowie Nachtcafés auf. So kommen sie im Winter von November bis Ende März auf etwa 400 Schlafplätze für Wohnungslose, das sind etwas mehr als vergangenen Winter. Hier werden auch warme Wintersachen verteilt: Jacken, Mäntel, Handschuhe, Schals, Socken, warme Unterwäsche und Schuhe.

Für die Kleidung sind die Einrichtungen auf Geld- und Sachspenden angewiesen. Die großen Anbieter, wie etwa die Bahnhofsmission am Zoo, bekommen das ganze Jahr über säckeweise Kleiderspenden und halten sich daher mit neuen Aufrufen zurück. Die kleinen Nachtcafés, die erst im November erreichbar sind, brauchen die warmen Wintersachen dagegen jetzt dringend. Laut Ghattas kommt die größte Anteilnahme und Unterstützung aber oft erst im Frühjahr, wenn die Temperaturen sinken. Für den laufenden Winter ist es dann häufig zu spät. Es dauert eine Weile, bis neue Kleidung gekauft, Sachspenden sortiert und die warmen Sachen in einer riesigen Stadt wie Berlin verteilt sind. Deswegen bitten die Einrichtungen schon jetzt um Spenden.

Uwe, 68, fummelt an einem Loch in seiner Jacke, es betrübt ihn. Vor einem Jahr hat er bei mob e.V. eine der neu eingekauften schwarzen Winterjacken bekommen. Sie wurden durch die Spendenaktion „One Warm Winter“ finanziert, die Kapuzenpullis mit der laufenden Sammelaktion auf der Internetseite www.betterplace.org. Uwe ist seit 15 Jahren „Strassenfeger“-Verkäufer mit dem Stammgebiet Ringbahn. Die Jacke habe ihn im vorigen Winter warm gehalten, sagt er. „Und vor allem kann man so viel drunter anziehen.“ Mehrere Schichten sind besonders effektiv gegen die Kälte.

Jackenausgabe. Dan-Christian Ghattas (links) in der „mob“-Wärmestube.

© Thilo Rückeis

Jedes Jahr müssen neue Wintersachen verteilt werden, denn bei einem Leben auf der Straße nutzen sie sich schnell ab. „Die Kleidung wird 24 Stunden am Tag getragen“, sagt Dieter Puhl, Leiter der Berliner Bahnhofsmission am Zoo. Eine zentrale Kleidersammelstelle wird es wohl nie geben, denn die Berliner Kältehilfe besteht aus zahlreichen Trägern. Sie wirkt durch die Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas, die Stadtmission, durch Kirchengemeinden und vor allem mit viel ehrenamtlicher Unterstützung.

So waren im Januar 2012 am Angebot der Berliner Kältehilfe 31 Projekte beteiligt: 16 Notübernachtungen mit täglicher Öffnung und 15 Nachtcafés mit Öffnung nur an bestimmten Wochentagen. Die gemeinnützige Gesellschaft Gebewo gGmbH wirkt federführend, betreibt die Webseite und das Kältehilfetelefon.

Eine gute Verteilung der Spenden ist wichtig.

Wenn sich die Sachspenden gut über diese Standorte verteilen, sei das hilfreich, sagt Ghattas. Die Winterkleidung sollte für alle erreichbar sein. „Bei den großen Kleiderlagern gibt es oft ewig lange Schlangen und die Leute müssen ja auch erst einmal hinkommen. Das wird ihnen oft durch Krankheit, Sucht und Scham erschwert.“ Im Charlottenburger Übernachtungsheim an der Franklinstraße, das die Stadtmission und die Caritas führen, wurde in der vergangenen Woche ein Pelzmantel abgegeben. Er war sofort weg.

Doch von säckeweisen Spenden werden die Mitarbeiter oft überfordert. Jürgen Mark, Leiter des Übernachtungsheims, erinnert sich an einen Fernsehaufruf, den er einmal gestartet hat. „Danach musste ich eine Aushilfe anstellen, die nur zur Tür gerannt ist, um Spenden anzunehmen.“ Was immer fehlt, sagt Mark, seien Thermounterwäsche und Winterstiefel. Es sollte jedoch niemand seinen ausgemisteten Kleiderschrank abstellen.

Auf Geldspenden sind alle Einrichtungen angewiesen. Das Kleiderlager bei Dieter Puhl in der Bahnhofsmission am Zoo ist gefüllt – nur Schlafsäcke werden gebraucht. Puhl schätzt, dass diesen Winter zwischen 1500 und 3500 Menschen in Berlin auf der Straße schlafen werden. Als es im Januar 2012 besonders kalt war, wurden selbst auf Fluren Matten ausgelegt, um keinen Menschen draußen stehen zu lassen, laut Gebewo gab es 482 Übernachtungen pro Tag bei 31 Trägern.

Zu Beginn dieser Woche saß in der Bahnhofsmission am Zoo ein groß gewachsener Mann. Seine Füße steckten ohne Socken in Sandalen. Mehr hatte er nicht. Die Schuhgröße: 53. Ob es welche für ihn im Kleiderlager gäbe? „Märchenstunde“, sagt Dieter Puhl. Er habe dem Mann neue Schuhe gekauft – eine teure Angelegenheit bei Größe 53. Doch noch am selben Tag sei ein junger Mann vorbeigekommen, der 160 Euro spendete.

- Wer Obdachlose in Not sieht, sollte den Kältebus der Stadtmission anrufen: 0178 523 58 38 (21-3 Uhr), oder den DRK-Wärmebus (18-24 Uhr) unter 0170 910 00 42. Das Kältehilfetelefon (810 560 425) vermittelt etwa Schlafplätze und nimmt Angebote von Trägern für Notübernachtungen entgegen.

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