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Knallig rot und richtig gemütlich. So sieht's aus.

© Tobias Reichelt

Kammerspiele in Kleinmachnow: Ein Kino-Sessel für 99,99 Euro

In den traditionsreichen Kammerspielen werden alle Kinosessel restauriert: Paten können sich hier in Kleinmachnow für 99,99 Euro ein Denkmal setzen.

Das alte sympathische Knarzen haben sie nicht verloren. Die unansehnlichen, oft zerrissenen und manchmal auch beschmierten Bezüge schon: In den Kleinmachnower Kammerspielen sind in dieser Woche die ersten mit neuem rotem Samt bezogenen Kinostühle montiert worden. Arbeiter der ortsansässigen Polsterei Pätzold und Sohn haben die erste Sitzreihe wieder fest im Boden des 76 Jahre alten Kino- und Theaterhauses in der Karl-Marx-Straße verschraubt. Stück für Stück sollen nun bis Oktober alle 298 Sitze fachmännisch restauriert werden. Und noch immer können Cineasten das Stuhlprojekt unterstützen und sich namentlich an den Sitzmöbeln verewigen.

„Wer will, kann sich bei uns mit einer Stuhlpatenschaft ein kleines Denkmal in seiner Heimatstadt setzen“, sagt Valeska Hanel. Knapp 90 Paten gebe es bereits. Sie hätten sich einen oder gleich mehrere Sitze im Saal gesichert, erklärte die Sprecherin der Kammerspiele-Genossenschaft. Für 99,99 Euro je Stuhl können Liebhaber das Projekt finanzieren, im Gegenzug wird an den Rückseiten der restaurierten Sitze ein graviertes Namensschild der Paten angebracht. Wer ohnehin Mitglied der noch jungen Genossenschaft ist, muss 77,77 Euro pro Stuhl bezahlen.

Wer sich einen mittigen Sitz sichern will, sollte sich inzwischen allerdings beeilen: In der letzten Reihe sind bereits etliche Stühle vergeben, auch in Reihe elf, neun und acht sind die Stühle schon knapp. Vergeben ist auch Stuhl eins in Reihe eins. „Manch einer verschenkt eine solche Patenschaft auch“, sagt Hanel. Einige hätten ihren Stuhl auch nicht nach der besten Sicht gewählt, sondern zum Beispiel nach einer interessanten Zahl wie dem Tag des eigenen Geburtstages. Wer zum Beispiel am 1. August geboren wurde, kann sich noch Sitz eins in Reihe acht sichern. Eine Sitzplatzgarantie gibt es allerdings mit der Patenschaft nicht. Wer zur Veranstaltung auf seinem Stuhl sitzen möchte, muss rechtzeitig da sein. Kaum waren die ersten zwei neu bezogenen Stühle im Saal verschraubt, ließ sich Valeska Hanel schwungvoll hineinfallen. „Auch die Lehnen fühlen sich gleich viel besser an“, zog sie ihr erstes Fazit vom neuen Kleinmachnower Sitzkomfort, während die Arbeiter im anderen Teil des Saales noch kräftig an den alten Stühlen hämmerten und bohrten, um die Verankerungen aus dem Boden zu lösen.

Etwa eine Woche benötigen die Arbeiter der Kleinmachnower Polsterei, um die Stühle einer Sitzreihe neu zu beziehen. Das sagte Mitarbeiter Holger Kühnel. Bislang ist erst eine Reihe fertig. Die alten Stühle hätten in den vergangenen 20 bis 30 Jahren arg gelitten. Wohl in den 80er-Jahren müssen die Sitze zuletzt neu bezogen worden sein, erklärte der 50-jährige Raumausstattermeister. Zum Teil hätten die Polsterer noch andere alte Stoffe unter dem bisherigen roten Samt gefunden. Auch etliche Kaugummis und Aufkleber an den Sitzen hätten den Restauratoren Sorgen bereitet, ebenso Brandlöcher und Messerschnitte im alten Stoff. Die Polsterung der Stühle unter dem Samt hingegen war fast überall gut erhalten und wurde nur selten gewechselt.

Der neue rote Samt entspricht den Vorgaben der Denkmalschutz- und auch der Brandschutzbehörden, sagte Valeska Hanel. Der Stoff ist dicker als sein Vorgänger und schwer entzündlich. Auch wenn nun bereits die erste neu bezogene Sitzreihe montiert ist, müssen alle Paten und Gäste noch auf die Sitzpremiere warten: Die Kammerspiele sind in der Kino-Sommerpause. Weiter geht es erst am 21. August. Zum Film „Yves Saint Laurent“ oder „Philomena“ können die ersten neu bezogenen Sitze dann ausgetestet werden – in Reihe eins bis vier und auch dreizehn. Und wer mag Kultur mag, muss sich im Ort nur einmal umhören.

Infos zur Patenschaft unter www.neuekammerspiele.de

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