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Berlin: Kandidatin der grünen Herzen

Die Partei zelebriert gute Stimmung. Die Kreisverbände stärken Wowereits Herausforderin den Rücken

Von Sabine Beikler

Die Grünen können ihr Glück in Berlin kaum fassen. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage wären sie zurzeit mit 28 Prozent stärkste Kraft in Berlin, vier Prozentpunkte vor der SPD. Und dann trat am Donnerstag das 4513. Mitglied in den Berliner Landesverband ein. So viele Mitglieder hatte die Berliner Partei noch nie in ihrer Geschichte. Auch die Erwartung, dass Renate Künast am 5. November auf einem Mitgliederabend ihre Kandidatur für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2011 erklären will, hebt die Stimmung in der Partei. Dass sich Künast jedoch im Falle eines schwächeren Abschneidens der Grünen eine „Rückfahrkarte“ in Richtung Bundespolitik offenhält, ist für Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität „nicht hilfreich“. Ganz im Gegensatz zur Meinung an der Basis.

Künast will während des Wahlkampfs ihr Amt als Fraktionschefin im Bundestag nicht aufgeben. Nur im Fall der Wahl zur Regierenden Bürgermeisterin würde sie ihr Amt aufgeben und weder als Senatorin noch Oppositionsführerin zur Verfügung stehen, verlautet aus Parteikreisen. „Das ist eine willkommene Geschichte für den Gegner“, sagte Niedermayer. Auch die Berliner würden darauf „empfindlich“ reagieren, wenn sich Künast „nur halb“ auf Berlin einlasse. Mit Ausnahme der grünen Kernwählerschaft hätten die Grünen vermutlich Probleme, noch unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. „Die Grünen sollten dieses Thema tunlichst im Wahlkampf vermeiden“, sagte Niedermayer.

Renate Künast werde „aufs Ganze“ gehen, sagte Daniel Wesener, Mitglied im 700 Mitglieder starken, traditionell linken Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. Er spricht dabei von einem „faszinierenden Projekt“. Es sei nachvollziehbar, „dass sie dann wieder in die Bundespolitik zurückkehrt, wenn sie das Wahlziel nicht schafft“, sagte das Mitglied in der Bezirksverordnetenversammlung. „Künast ist Berlinerin, eine mit Biss und Schnauze. Aber sie ist auch für die Bundespolitik wichtig. Sie ist eine Ikone, die auch noch was im Bund werden soll“, sagte Nickel von Neumann, Kreischef des mit 73 Mitgliedern kleinsten Berliner Verbands Marzahn-Hellersdorf.

Künast genießt auch in Pankow bei der 620 Mitglieder starken Grünen-Basis großes Vertrauen. „Sie ist intelligent, integer und wird die richtige Entscheidung treffen“, sagte die Kreisvorsitzende Daniela Billig. „Wenn sie mit offenen Karten spielt und das vor der Basis erklärt, haben wir kein Problem mit einer Rückkehr in die Bundespolitik“, sagte der Abgeordnete Benedikt Lux, der Mitglied im Kreisverband Steglitz-Zehlendorf ist.

Deutlich schwerer tut sich die Basis mit einer schwarz-grünen Koalitionsoption. Künast sagte vor kurzem, es werde keinen Wahlkampf in Berlin geben, der die CDU von vornherein als Partner ausschließe. Ein solches Bündnis sei „nur sehr schwer vorstellbar und aus Mehrheitsgründen sehr unwahrscheinlich“, sagte der Abgeordnete Dirk Behrendt, Vertreter des linken Parteienflügels. Friedbert Pflüger als Vorreiter eines schwarz-grünen Kurses sei in der Berliner CDU gescheitert. Die Union würde derzeit eher einen „harten Ton“ anschlagen, um ihre konservative Wählerklientel zurückzugewinnen. Und das „Modell Hamburg“ sei auch nicht gerade eine „Werbeveranstaltung“ für eine solche Koalitionsoption. Viele Inhalte seien zugunsten der Koalition „zum Opfer gefallen“, das habe bei vielen Grünen zur „Ernüchterung“ geführt.

Andere Grüne wie der Abgeordnete Benedikt Lux weichen der Frage nach Schwarz-Grün aus, indem sie auf „Grün-Schwarz“ als rechnerisch realistisches Modell verweisen. „Die CDU als Juniorpartner müsste aber in Sachen Bildung und Sicherheit bittere Pillen schlucken“, sagte Lux. In Steglitz-Zehlendorf hat man mit der CDU als Partner in der seit 2006 existierenden Zählgemeinschaft in der Bezirksverordnetenversammlung gute Erfahrungen gemacht. „Eine schwarz-grüne oder grün-schwarze Option schreckt uns überhaupt nicht ab“, sagte der grüne Kreischef im Südwesten, Norbert Schellberg.

Zumindest bis zur Wahl werden die Grünen eine Koalition mit der CDU nicht ausschließen. In einem Fünf-Parteien-System wäre es laut Parteienforscher Niedermayer auch „strategisch gefährlich, sich Koalitionsoptionen zu verbauen“.

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