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Karneval der Kulturen: Die Herren des Strandes von Berlin-Mitte

Ein letztes Mal sitzen sie zusammen in der "roda", üben noch einmal die "cabezada". Zum Karneval der Kulturen soll jede Bewegung sitzen. Dann wollen die "Capitaes de areia" das Feuer Brasiliens nach Berlin bringen. Ein Video von der Generalprobe von Maike Redeker

"Capoeira é por homem, menino e mulher, so nao joga quem nao quer" - Capoeira ist für Mann, Kind und Frau. Nur derjenige spielt nicht, der sich nicht traut.

Mestre Pastinha

Die zierliche Frau wirbelt einmal um sich selbst wie ein Kreisel, hebt energisch das Bein und schleudert es dem muskulösen dunkelhäutigen Mann entgegen. Der reißt die Arme hoch, biegt sich wie eine Gerte nach hinten und entgeht knapp dem Tritt. Dann tänzeln beide pendelnd umeinander, als würden gleich geladene Magnetpole sie stets in einem gewissen Abstand voneinander halten, so dass sie sich nicht berühren können. Dann schlagen beide noch ein Rad - und berühren sich doch noch: Mit einem Handschlag lösen sie den Kampf auf.

Karate in Zeitlupe

Was ein wenig aussieht wie Karate in Zeitlupe, begleitet von stampfendem Trommeln und zirpenden Saitenklängen, ist Capoeira, ein Kampftanz aus Brasilien. Während etwa vierzig Tänzer wie aufgezogen durch die Halle in Berlin-Mitte springen, auf den Händen laufen und Kopfstand üben, stehen immer abwechselnd vier bis fünf Tänzer am Rand, singen aus Leibeskräften und schrammeln dazu am Saiteninstrument Berimbao. Der blonde Martin aus Berlin trommelt neben Gil aus Indonesien und Paulo aus Brasilien, dass die Halle vor archaischer Rhythmen vibriert. Alle schwitzen, viele Gesichter glühen rötlich vor Anstrengung und Eifer.

Positive Energie für Berlin

Sie sind die "Capitaes de areia", die Herren des Strandes - benannt nach den Straßenkindern in Salvador da Bahia. Von dort kommt der Gründer der Capoeiraschule, Leo Goncalves. "Der Karneval ist eine gute Gelegenheit, den Berlinern ganz viel positive Energie zu geben", freut sich Leo Goncalves. Zum zwölften Mal zieht er mit den "Capitaes de areia" nun schon mit beim Karneval der Kulturen. Es geht ihm dabei vor allem um den kulturellen Austausch. "Die Leute sollen die brasilianische Kultur kennen lernen. Es gibt hier so viele gestresste, depressive Leute. Aber jeder, der Capoeira gemacht hat, geht mit einem Lächeln nach Hause." Und so, hofft Leo, werden mehr Leute auf Capoeira aufmerksam. Denn noch wissen die wenigsten, was sich dahinter verbirgt. "Das ist zum Teil echt dramatisch", entrüstet sich Iko Sudaryo, einer der Capoeiristas. "Viele meinen, das ist ein Drink!"

Ein Kampfsport mit bewegter Geschichte

Dieses Jahr steht der Umzug unter dem Motto "Verschiffung der schwarzen Sklaven nach Brasilien". Sie entwickelten Capoeira im 16. Jahrhundert, um sich gegen die Kolonialherren verteidigen zu können. Um diese nicht misstrauisch zu machen, bauten die ersten Capoeiristas Gesangs- und Musikelemente ein. Heute mischen sich in der Capoeira die unterschiedlichsten Tänze, Rituale und Kampftechniken Schwarzafrikas. Und diese Vielfalt spiegelt sich auch bei den "Capitaes de Areia": Indonesier, Deutsche und Brasilianer tanzen mit Japanern, Koreanern und Kolumbianern. Trotz aller positiven Energie würden sich Leo, Iko und die anderen aber doch freuen über gutes Wetter zum Karneval der Kulturen.

von Maike Redeker

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