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Berlin: Kassen werden nicht nur mit Toten betrogen

Ermittler entdecken mehr falsche Abrechnungen

Die Krankenkassen kommen in Berlin immer mehr Abrechnungsbetrügereien auf die Spur. Dabei ist die angebliche „Behandlung“ von Verstorbenen, über die wir berichteten, nur ein kleiner Teil. Viel einfacher ließe sich das Einkommen „aufbessern“, wenn man überteuerte oder nie erbrachte Leistungen in Rechnung stelle, heißt es aus Krankenkassen-Kreisen. So ermittelt allein die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) gegen 32 Berliner: Diese – unter anderen Ärzte, Optiker und Masseure – sollen auf diese Weise zu Unrecht abkassiert haben. Damit korrigierte die Kasse ihre Angaben von vergangener Woche, wonach es sich in diesen Fällen um die angebliche Behandlung von Toten gehandelt habe. „Die stellten das geschickter an“, sagt Annette Rogalla, Pressesprecherin der KKH. So habe zum Beispiel ein Optiker bei der Krankenversicherung teure Kontaktlinsen abgerechnet, den Patienten aber nur billige gegeben. Der Schaden: Mindestens 100 000 Euro.

Bei der Überprüfung ihrer Daten stieß die KKH darüber hinaus auf 20 Ärzte, die das Risiko eingegangen sein sollen, Verstorbene abzurechnen. Denn in diesem Falle ist die Gefahr, erwischt zu werden, ungleich größer, als bei manipulierten Rechnungen. Damit haben jetzt drei Krankenkassen – die Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK), AOK und KKH – der Berliner Kassenärztlichen Vereinigung (KV) insgesamt 98 auffällige Mediziner genannt, die die Therapie von Toten abrechneten. Doch bei weitem nicht alle sind Betrüger. So erhärtete sich nur bei 17 von insgesamt 50 von der DAK gemeldeten Medizinern der Verdacht so weit, dass jetzt die Polizei ermittelt. Nun nimmt die KV auch die Liste der AOK mit insgesamt 28 Ärzten unter die Lupe. In drei Wochen lägen die Ergebnisse vor, sagte eine KV-Sprecherin. Unter Umständen droht den überführten Medizinern der Entzug der Kassenzulassung – und damit der Verlust der meisten Patienten.

Krankenkassen-Manager loben die gute Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Dadurch würden immer mehr Betrüger entdeckt, sagt der Landesgeschäftsführer der DAK, Herbert Mrotzeck. Doch auch Ärzte können Betrugsopfer werden. So sei es zum Beispiel möglich, dass ein Patient einem Doktor die Chipkarte eines Verstorbenen unterschiebt. Insider berichten von einem schwunghaften Handel mit Versicherungskarten, mit denen sich zum Beispiel illegal in Deutschland Lebende vom Arzt behandeln lassen. Bisher ist der Mediziner nicht gesetzlich verpflichtet, zu prüfen, ob die Karte wirklich demjenigen gehört, der sie vorlegt. Die Kassen haben nur begrenzte Möglichkeiten, den Nachschub zu unterbinden. Normalerweise fordern sie die Hinterbliebenen eines Verstorbenen auf, dessen Chipkarte zurückzuschicken. Doch auch wenn das in der Regel recht gut funktioniere, so gebe es Fälle, wo auch mehrmalige Mahnungen nichts fruchteten, sagt Mrotzeck. Irgendwann gibt die Kasse entnervt auf. „Wir können doch deswegen keine Zwangsvollstreckung beantragen.“

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