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Berlin: Katastrophe nach Plan

Es war die größte Übung seit dem Zweiten Weltkrieg: 2000 Rettungsleute probten den Einsatz im Orkan – bis Anwohnern der Lärm zu viel wurde

Einige Opfer schrien, andere stöhnten, viele wollten sich nicht helfen lassen – sie schlugen um sich, rissen sich von den Helfern los und rannten zurück in den eingestürzten Supermarkt, um Freunde und Angehörige zu suchen. Die Darsteller der Verletzten verhielten sich bei der Katastrophenübung „Orkan 2003“ wie bei einem echten Unglück. Die Mehrzahl stammte von der DLRG. Ihre Wunden waren in aufwändiger Detailarbeit aufgeklebt oder aufgemalt worden und sahen täuschend echt aus.

Am Ende brachten die vom Lärm geplagten Anwohner an der Treskowallee in Karlshorst die Großübung fast zu einem vorzeitigen Ende. Wegen der vielen Beschwerden reduzierte die Einsatzleitung schließlich die Zahl der geplanten Hubschrauberflüge. Immerhin mussten die Nachbarn des früheren sowjetischen Militärgeländes fast 24 Stunden lang sogar nachts den Lärm der an und abfliegenden Hubschrauber ertragen. „Wir haben die Bevölkerung ganz schön belastet“, gab Feuerwehrsprecher Jens-Peter Wilke zu.

Rund 2000 Helfer aus Hamburg, Bremen und Brandenburg beteiligten sich an der bisher umfangreichsten Katastrophenübung, die die Folgen eines Orkans simulierte, der über die Stadt hinweggefegt war: Ein Supermarkt war zusammengestürzt, ein Wohnhaus brannte, eine Chemiefabrik wurde zerstört, und Chemikalien drohten, das Trinkwasser zu vergiften. In einem Kino gab es eine Explosion, und schließlich mussten die Helfer noch einen Wiesenbrand bekämpfen.

Unterstützt wurden die Feuerwehrmänner dabei von einem Löschhubschrauber des Bundesgrenzschutzes (BGS), der rund 2000 Liter Wasser abwarf. Der Start des Helikopters verzögerte sich, und so breiteten sich die Flammen auf der ausgetrockneten Wiese weiter aus, als es das Katastrophenszenario vorgesehen hatte. Das aus knapp 100 Metern Höhe abgeworfene Wasser löschte den Brand schnell. Auf dem ehemaligen Kasernengelände blieb keine einzige Scheibe ganz. Die Gebäude waren vorher schon marode und teilweise eingestürzt.

Eine ideale Umgebung für das Horrorszenario, das sich die Verantwortlichen ausgedacht hatten: „Wir müssen auf Extremsituationen eingestellt sein“, sagte Branddirektor Frieder Kirchner. Hintergrund war der Orkan, bei dem im Sommer 2002 in einem Zeltlager auf der Insel Schwanenwerder umstürzende Bäume zwei Kinder erschlagen hatten.

Zur Übung waren zehn Hubschrauber im Einsatz, davon acht vom Bundesgrenzschutz. Sie transportierten Verletzte, brachten Suchhunde ins „Katastrophengebiet“, retteten Menschen vom Dach des brennenden Hauses und überwachten die verschiedenen Einsätze aus der Luft. Mit einem Helikopter wurde Freitagnacht sogar geübt, freigesetzte Radioaktivität zu lokalisieren, sagte Thomas Hochstein von der BGS-Fliegerstaffel-Ost. Sonnabendnachmittag zog Jens-Peter Wilke eine „im Großen und Ganzen positive Bilanz“. In Einzelfällen habe es noch Probleme gegeben, die jetzt noch genauer untersucht werden müssten, sagte er. Die größte Übung seit dem Zweiten Weltkrieg kostete rund 70 000 Euro, von denen der Bund die Hälfte zahlt. weso

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