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Berlin: Kate Merkle: Ab 40 wird das Leben einfacher

Erstaunlich uneitel, diese Frau. Den Friseurbesuch hat sie kurz nach dem Fototermin eingeplant.

Erstaunlich uneitel, diese Frau. Den Friseurbesuch hat sie kurz nach dem Fototermin eingeplant. "Das ist das letzte Bild von mir mit langen Haaren, das Sie da machen," verkündet sie fröhlich. Auch sonst tritt Kate Merkle kein bisschen auf, wie die klassische Geschäftsführerin eines teuren Juweliergeschäfts. Der orange-lila-farbene Zweiteiler lässt den Bauchnabel frei und die hochhackigen Designer-Schläppchen an den Füßen strahlen eher zart feminine Signale aus als eine harte Business-Botschaft; zwei schlichte Diamantohrringe und eine Cartier-Uhr sind der einzige Schmuck, mit dem sie heute Reklame geht für ihr Gewerbe.

Die Flämin kam Ende 1996 in die Stadt, um die deutsche Zentrale des schweizerischen Traditionsjuweliers Bucherer aufzubauen. Quasi über Nacht war sie bekannt genug, um überall mitzumischen. Wie macht man das?

"Bevor wir das Geschäft eröffneten, habe ich einige Zeit hier gewohnt und die Stadt sehr intensiv kennengelernt", sagt sie. Die Initialzündung war dann ein Auftritt auf der Aids-Gala an der Seite des Modeschöpfers Jean-Paul Gaultier: "Das hat die Medien neugierig gemacht." Sie kannte ihn aus der Zeit, als sie sich in Mailand, Paris und Amsterdam mit Model-Jobs das Geld fürs Studium verdiente. Dass sie einmal das Management eines Juwelier-Geschäfts übernehmen würde, ist Kate Merkle gewiss nicht an der Wiege gesungen worden. Eigentlich waren alle Weichen für eine künstlerische Laufbahn gestellt.

Im Rampenlicht groß geworden

Ihr Vater war der belgische Theater- und Filmregisseur Remi van Duyn, ein bekannter Experte für die Inszenierung von Massenspektakeln. Auch die Mutter war Schauspielerin. So ist sie gewissermaßen im Rampenlicht groß geworden. Schon als ganz kleines Kind schnupperte Kate Merkle Bühnenluft, vor dem Vorhang, hinter den Kulissen, natürlich spielte sie auch in kleineren Rollen mit. Folgerichtig führte sie nach der Schule ihr Weg an die Akademie für schöne Künste in Gent. Dort und am königlichen Konservatorium studierte sie dramatische und bildende Kunst. Die Karriere als Schauspielerin schien besiegelt. Die Wende in ihrem Leben kam, als sie im Alter von 22 Jahren den Vater verlor. Plötzlich war ihr Belgien zu eng. Sie wollte raus.

Durch einen Zufall war sie nach Süddeutschland geraten und dort, in Pforzheim, begann sie sich während des Sprachenstudiums mit Schmuckdesign zu beschäftigen. Bald entwarf sie nicht nur, sondern war auch in der ganzen Welt unterwegs auf der Suche, fand schöne Steine in Thailand, kostbare Perlen in Japan und ungewöhnliche Ideen in New York. "Ich habe ein Gespür dafür, was Frauen heute brauchen." Vor allem brauchen sie nach ihrer Überzeugung Stücke, die man sich selbst leisten kann: "Die Zeiten, in denen wir warteten, bis wir etwas geschenkt bekamen, sind doch endgültig vorbei."

Manche ihrer eigenen Werke rufen indes nach Kompromissen: Eine schwere goldene Armspange, geformt wie eine Schlange, mit diamantenen Augen, elastisch und mit hunderten gelber Saphire aufgewertet, gehört zu ihren früheren Werken. Die gut verdienende Frau, die sich das leisten will, wird womöglich doch auf ein Joint Venture mit einem ebenfalls erfolgreichen Mann angewiesen sein, denn der Preis liegt im sechsstelligen Bereich.

Tiefer hinein ins Schmuckgeschäft zog sie die Ehe mit ihrem inzwischen geschiedenen Mann, der auch aus der Branche kam. Nach der Trennung entdeckte sie zu den künstlerischen die geschäftlichen Fähigkeiten. In der Schule war Mathematik nicht gerade ihre starke Seite. Aber seit sie es mit ziemlich hohen Budgets zu tun hat, entwickelte sich eine Lust an der "Klarheit von Zahlen."

Das Schauspieltalent, die Kunst, sich in andere hineinzuversetzen, kommt ihr dabei immer noch zugute. Wenn jemand zu ihr kommt, um für einen bestimmten Anlass ein Schmuckstück fertigen zu lassen, redet sie mitunter stundenlang mit dem Auftraggeber über das Leben und die Liebe, bis die entscheidende Idee kommt. "Schmuck", sagt sie, "ist etwas sehr Intimes. Man trägt ihn auf der Haut. Man verbindet Emotionen damit. Man lebt damit." Guter Schmuck kann aus ihrer Sicht nicht billig sein.

Jetzt gerät sie ins Schwärmen: "Er enthält Erze, Mineralien, die Millionen Jahre in der Erde verbracht haben. So viele Hände sind daran beteiligt, so viele Stunden arbeitet ein Goldschmied daran und gibt Herz und Seele hinein."

Nach der Eröffnung der Zentrale und dem ersten großen Auftritt folgten eigene Aktionen. Eine Diamanten-Präsentation im Naturkunde-Museum zum Beispiel. "Wir wollen den Leuten ihre eigene Stadt zeigen." Bei einer weiteren Entdeckungsreise durch Berlin holte sie Protagonisten der kreativen Medienwelt in eine alte Berliner Pension in der Meinekestraße. Es ging um Diamanten und um Interaktionen. In einem Zimmer saß ein kosendes Liebespaar, in einem anderen ein dichtender Schriftsteller, in einem dritten eine Operndiva, die sich für den großen Auftritt vorbereitete. "Es geht mir nicht darum, so viel wie möglich zu verkaufen", sagt sie. "Die Leute sollen sich mit Schmuck auseinandersetzen."

Differenzen im Kleiderschrank

Gemeinsam mit Tochter Guya, aber ohne Mann lebt sie inzwischen in einem Dachgeschoss in Charlottenburg und genießt den Blick über die Stadt. Dort befindet sich auch der "sehr differenzierte Kleiderschrank" der 40jährigen, die gern schwimmt. Wegen des Fitness-Programms sollen jetzt auch die Haare runter. Dass sie gern in unterschiedliche Rollen schlüpft, muss wohl ein Erbe aus ihrer Vergangenheit als Schauspielerin sein. Abends liebt sie Auftritte als Diva, dazu passt der Ring mit dem riesigen violetten Amethyst und hunderten rosafarbener Saphire ringsum, der jedes weitere Schmuckstück neben sich verbietet. Manchmal tobt sie ihre Lebenslust auch auf den Partys der jungen Szene aus.

Tagsüber gibt sie sich natürlich. "Simplicity" lautet ihr persönliches Zauberwort, in dem sie aber auch einen Trend für die nächsten Jahre ausmacht. "Ab 40 wird das Leben immer einfacher", glaubt sie. "Man steht zu sich selbst, hat seine Mitte gefunden. Man lässt die Masken fallen." Heute schminkt sie sich viel seltener als früher: "Ich muss mich nicht mehr verstecken." Großartige Rücksicht auf die Rolle im Beruf liegt ihr nicht.

Die Leute sollen sie so nehmen, wie sie ist. "Das ist doch viel ehrlicher." Sie genießt es, "eine Frau zu sein und alle Facetten des Weiblichen auszuleben, das Sinnliche und das Verletzbare, aber auch das Widerstandsfähige und Starke". Sie steht zu ihren Gefühlen, zu denen auch Wut und Tränen gehören können. Ein Nadelstreifenkostüm würde sie nur verkleiden und frisch ondulierte Haare zum Fototermin ihre Persönlichkeit Lügen strafen. Kate Merkle ist eine Frau mit Widersprüchen, konsequent und spontan. Vielleicht ist sie wirklich nicht eitel. Aber das auf eine ganz schön kapriziöse Art.

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