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Das Restaurant Grüne Lampe ist eine Wilmersdorfer Institution.

© Mike Wolff

Russische Spezialitäten: Kaviar zum Frühstück

Fischbuletten und Schichtsalat aus Hering, Roter Beete und Majo: Im Café „Grüne Lampe“ in Wilmersdorf gibt es russische Spezialitäten. Hier trifft Kiez auf russische Community.

„Mein Mann ist ja nun seit einigen Jahren tot“, sagt Hannelore Schumacher, 82, „da bin ich oft einsam. Deshalb habe ich jetzt meine Nachbarn zum Brunchen eingeladen.“ Die Grüne Lampe ist seit knapp zehn Minuten geöffnet. Der berühmte Kaviar-Brunch am Sonntagmorgen.

Helga Rex hat sich sehr über die Einladung gefreut. „Wir wohnen da drüben und wollten schon seit Jahren hierhin“, sagt sie. Obwohl die 72-Jährige noch nie in der Grünen Lampe war, weiß sie bestens über das Lokal Bescheid. „Mehrmals in der Woche fahren die Reisebusse vor“, erklärt sie, und ihre Lebensgefährte Enno Heinjes fügt hinzu: „Der Laden ist ein Treffpunkt. Im Sommer sitzen die Männer draußen und quatschen auf Russisch.“

Im Wilmersdorf ist die Grüne Lampe eine Institution und gilt als Zentrum der russischen Community. Als Journalisten vor sieben Jahren das neue Charlottengrad suchten, kamen sie alle auch im Restaurant in der Uhlandstraße vorbei. Und als sie 2014 wissen wollten, ob sich Russen und Ukrainer zumindest in Berlin noch verstehen – nach der Krim-Krise und dem Krieg in der Ostukraine –, da haben sie danach in der Grünen Lampe gefragt.

"Im Kiez ist viel getuschelt worden"

Mit blonden Locken und markanter Designerbrille hat die Inhaberin Julia Gutsch den Fernsehsendern dann erzählt, dass sie Angst vorm Dritten Weltkrieg habe. Und die Grüne Lampe gab dafür eine prächtige Kulisse ab. Mit ihren altertümlichen grünen Tapeten und den grünen Retro-Schreibtischlampen an der Wand. Gestaltet nach dem Salon „Grüne Lampe“ in St. Petersburg. Auch heute sieht hier alles noch ganz genauso aus. Nur Gutsch ist nicht mehr da.

Nikolaos Papadopoulos führt die Grüne Lampe seit einem Jahr.

© Mike Wolff

„Hier im Kiez ist viel darüber getuschelt worden“, erzählt Helga Rex. „Beim Friseur, beim Bäcker. Die Gutsch kannte ja jeder.“ Schließlich sei sie jeden Tag hier gewesen. Als Gutsch dann plötzlich verschwand, da glaubten einige in der Nachbarschaft, „dass sie im Lotto gewonnen hat.“

Die Wahrheit, sagt Nikolaos Papadopoulos, sei profaner. „Nach zwölf Jahren in der Gastronomie hatte Frau Gutsch einfach genug.“ Täglich 9 bis 22 Uhr, Stress mit Lieferanten. Vor einem Jahr hat Gutsch die Grüne Lampe an Papadopoulos, ihren langjährigen Koch, verkauft und ist in die Schweiz gezogen.

Blinis, Fischbuletten, Schichtsalat

Verändert hat der 39-Jährige erst mal nichts. Sonntags gibt es also nach wie vor den Kaviar-Brunch. Aus den Boxen kommt leise russischer Techno und Elektropop. In der Mitte des Lokals haben die Mitarbeiter ein üppiges Buffet aufgebaut. Neben rotem Lachskaviar gibt es Blinis, Kartoffelpuffer, Fischbuletten und einen geschichteten Salat, der wie eine riesige Torte aussieht, aber aus Hering, Roter Bete und Mayonnaise besteht.

Von den politischen Debatten will Papadopoulos aber lieber weg. Es gäbe hier keine Probleme zwischen Russen, Ukrainern oder Georgiern, meint er. „Und viele meiner Gäste kommen eh aus der ganzen Welt.“ Aber die Russen kommen natürlich trotzdem noch.

Heute könne es allerdings etwas dauern, bis die Ersten kommen, meint Papadopoulos, am Vorabend wurde russisches Neujahr gefeiert. „Da war ein russischer Sänger hier. Alle haben getanzt und es gab viel Wodka.“ Auch Papadopoulos sieht man die Party noch an. Um seine Augen funkelt etwas Glitzerstaub.

Direkt neben ihm macht sich derweil ein Mann am Buffet zu schaffen. Nicht mal den Mantel hat er ausgezogen. Mit müden Augen schaufelt er eine bunte Mischung in eine Take-Away-Box. Offensichtlich ein Freund des Hauses. Und so schnell, wie er gekommen ist, verschwindet er wieder. Kaviar-Brunch als Katerfrühstück.

Caspar Schwietering

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