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Berlin: Kein Durchblick im Schulbuch-Chaos

Viele Eltern verstehen das neue Prozedere nicht. Widerstand gegen Senatsregelung nimmt zu

Als völlig unpraktikabel entpuppt sich die Neuregelung zum Schulbuchkauf. Schon jetzt ist absehbar, dass tausende Schüler nach den Ferien ohne Bücher in ihren Klassen sitzen, weil die Eltern das neue Prozedere nicht durchschauen. Zudem mehren sich die Stimmen, die vor der „sozialen Stigmatisierung“ einkommensschwacher Familien warnen. Diese Befürchtung des Datenschutzbeauftragten teilen Landeselternrat und Philologenverband.

„Es wird sich nicht verhindern lassen, dass Mitschüler und Lehrer erkennen, welche Kinder aus Familien mit geringem Einkommen stammen“, warnt der Verbandsvorsitzende Jobst Werner. Denn diese Kinder erhalten Bücher, die den Stempel der jeweiligen Schule tragen, während die übrigen Schüler eigene Bücher mitbringen. „Die Familien werden gezwungen, sich zu outen“, kritisiert Landeselternsprecher André Schindler. Dies passiere nicht nur durch die Schulbuchausgabe, sondern bereits im Vorfeld, wenn die Familien bei der Schulsekretärin ihre Einkommensverhältnisse offen legen müssen, um vom Land die Bücher erhalten zu können.

Schon jetzt ist klar, dass viele Eltern diesen Schritt scheuen und ihn deshalb vor sich herschieben: Noch warten viele Schulen vergebens auf die Anträge zur Befreiung vom Bücherkauf. Dies aber bedeutet, dass die Schulleiter die entsprechenden Bücher nicht bestellen können. Hinzu kommt, dass tausende Eltern keinen Kontakt zur Schule ihrer Kinder halten und grundsätzlich weder Briefe der Schule lesen noch Schreiben beantworten. „Es gibt Hinweise, dass viele bedürftige Schüler keine Anträge gestellt haben“, berichtet etwa Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). Wenn aber kein Antrag vorliegt, bezahlt das Bezirksamt die Bücher nicht. Dies bedeutet, dass Schulen in sozialen Brennpunkten nicht wissen, womit sie Bücher und Lernmaterial bezahlen sollen. Deshalb wollen etwa die Eltern der Kreuzberger Nürtingen-Grundschule am heutigen „Tag der Bildung“ vor ihrer Schule demonstrieren.

Schulen mit sozial ausgewogener Klientel behelfen sich anders: Sie bitten ihre Eltern, rund 50 Euro auf das Konto des Fördervereins oder der Gesamtelternvertretung zu überweisen. Damit kann die Schule wie bisher Bücher und Materialien anschaffen. Mit der ursprünglichen Senatsregelung hat dies aber nichts mehr zu tun: Die Koalition wollte eigentlich, dass die Schüler künftig auch mit eigenen Büchern arbeiten und dafür bis zu 100 Euro pro Schuljahr ausgeben. Jetzt zeigt sich aber, dass den Eltern gar nichts daran liegt: Am Neuköllner Albert-Einstein-Gymnasium etwa wollen nur 8 von über 1000 Eltern eigene Bücher kaufen: Die anderen zahlen lieber 40 Euro auf das Konto des Fördervereins, denn das ist billiger und die Schule behält ihren finanziellen Spielraum.

Elterntipps zum Schulbuchkauf

www.kryger.de/lernmittel

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