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Berlin: Kein Ende der Konflikte ums Holocaust-Mahnmal

Nach Peter Eisenmans umstrittener Äußerung wird wieder über andere Opfergruppen, die Degussa und den Architekten diskutiert

Kuratoriumspräsident Wolfgang Thierse hat es gestern abgelehnt, die Widmung des Holocaust-Mahnmals auf andere Opfergruppen auszuweiten, und auf den Beschluss des Bundestages verwiesen. Julius H. Schoeps, Vize-Chef der Berliner Jüdischen Gemeinde, hatte die Ausweitung angeregt. Nach einer umstrittenen Äußerung des Architekten Peter Eisenman waren weitere kritische Stimmen zum Mahnmal zu vernehmen. Um dieses werde es immer wieder Konflikte zwischen Juden und Nicht-Juden in Berlin geben, fürchtet etwa der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Albert Meyer. Auch Kritik an der Beteiligung der Degussa wurde wieder laut.

Eisenman hatte bei der jüngsten Sitzung des Mahnmal-Kuratoriums scherzhaft eine Äußerung seines Zahnarztes wiedergegeben: „Sie haben Degussa im Mund. Soll das raus?“ Darauf hatten mehrere Mitglieder des 22-köpfigen Kuratoriums aus Protest den Raum verlassen, unter ihnen Alexander Brenner, bis vor kurzem Chef der Jüdischen Gemeinde. Die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende Lea Rosh nannte Eisenmans Äußerung „eine nicht zu überbietende Geschmacklosigkeit“. Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass die Degussa den Graffitischutz für die Betonstelen liefert. Ihre frühere Tochter Degesch hatte das Zyklon B für die Gaskammern hergestellt. Die Degussa soll zudem das Zahngold ermordeter Juden verarbeitet haben. Die Bauarbeiten wurden vorübergehend gestoppt.

Beim Präsidenten des Kuratoriums Wolfgang Thierse ist inzwischen eine Entschuldigung von Peter Eisenman eingegangen. Nach Worten eines Sprechers ist Thierse bereit, die Sache damit auf sich bewenden zu lassen. Kuratoriumsmitglied Lothar C. Poll sieht aber die Konflikte längst nicht ausgestanden. Der Widerstand im Gremium gegen die Degussa-Beteiligung sei im vergangenen Jahr „abgebürstet und so das Unternehmen reingewaschen“ worden. Poll: „Die Diskussion ist noch nicht zu Ende.“

Alexander Brenner legte Eisenman gestern nahe, sich aus dem Projekt zurückziehen: „Niemand ist unersetzlich.“ Ansonsten bemühte er sich, die Wogen zu glätten, und plädierte dafür, die Bauarbeiten unverändert fortzusetzen: „Wir wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“ Eine Einbeziehung anderer Opfergruppen lehnt er ab. Der Publizist Michael S. Cullen, der ein Buch über das Mahnmal veröffentlicht hat, hält die wiederkehrenden Querelen im Kuratorium für ein grundsätzliches Problem. Ein Grund sei, dass mit Brenner, Rosh und Eisenman drei der Protagonisten unterschiedliche Ziele verfolgten: „Rosh will ein Bekenntnis der Deutschen zu ihrer Scham und Brenner ein Denkmal für die Juden. Eisenman will einfach nur ein Denkmal bauen.“

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