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Auf kleinen Fußballplätzen wie hier in der Kreuzberger Gneisenaustraße sind die meisten der deutschen Weltmeister groß geworden.

© Kai-Uwe Heinrich

Zu strenge Auflagen in Berlin: Keine Weltmeister ohne den Amateurfußball

Fast alle deutschen Nationalspieler haben das Fußballspielen bei kleinen Kiez- oder Dorfvereinen gelernt. In Berlin gelten aber immer strengere Auflagen für Fußballplätze – und immer wieder gibt es Ärger mit Anwohnern, meist wegen Lärms. Doch ohne Amateurvereine gibt es keine Weltmeister.

Fußball-Weltmeister 2014. Der vierte Stern. Was für eine Freude und was für ein Stolz für das glückselige Deutschland! Es wäre so schön, wenn diese Freude sich auch in Zukunft auf Berlins Amateurfußball niederschlagen könnte. Die Realität sieht leider anders aus.

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Wolfgang Niersbach, erinnerte in einem Interview an den überwältigenden Zulauf auf Deutschlands Fußball-Amateurvereine nach dem vorigen Sommermärchen. Die Kiezvereine wurden regelrecht überrannt von Jugendlichen, die ihren Idolen nacheifern, ihre Freizeit sinnvoll nutzen wollten. Im Verein, in einem Team.

Alle, die sich jetzt mit ganz Deutschland und den überwältigenden Erfolg unserer Fußball-Nationalmannschaft freuen, bitte ich um Unterstützung für die kleinen Vereine. In Berlin beispielsweise sind viele Plätze in einem erbärmlichen Zustand. Ungewässerte Kunstrasenplätze, die ein hohes Verletzungspotenzial bergen, werden vonseiten der Ämter aus Kostengründen das Wasser abgedreht. So manche dringend benötigte Bewässerungsanlage nicht gebaut. Gerissener Kunstrasen bleibt gerissen, das Risiko für das kickende Volk in Kauf genommen. Sanitäre Anlagen, die seit Jahrzehnten nicht saniert wurden. Flutlicht, das nicht funktioniert und auch im Winter nur bei halber Kraft laufen darf, weil sich so mancher Anwohner vom grellen Licht geblendet fühlt.

Toleranz nicht nur auf dem Platz

Dazu eine kleine Anmerkung: Wir leben hier in Berlin – auch Großstadt genannt. Und da befinden sich die Plätze mittenmang. Auf einigen Plätzen herrscht an Sonn- und Feiertagen zwischen 13 und 15 Uhr Mittagsruhe. Mittagsruhe! Noch ein Beispiel? Bitte schön. Am Sportplatz Holzmarktstraße in Mitte gibt es eine „Nutzungseinschränkung“ an Wochentagen ab 20.30, samstags ab 14.30 Uhr, sonntags darf der Platz gar nicht bespielt werden. Per Gerichtsbeschluss endet der Spielbetrieb an der Sportanlage Wiesbadener Straße um 20 Uhr. So sehen Sieger aus? Ich glaube nicht.

Sie wohnen in einem Kiez. In Berlin. In einer Großstadt. Gehen Sie doch einfach mal vorbei, gucken sich das Treiben an und vielleicht reißt Sie ein Spiel in der Amateurliga genauso mit wie das unserer Weltmeister.

Jérôme Boateng mit Tochter und Weltpokal. Seine ersten Schritte auf dem Fußballplatz machte der Berliner bei Tennis Borussia in Charlottenburg.
Jérôme Boateng mit Tochter und Weltpokal. Seine ersten Schritte auf dem Fußballplatz machte der Berliner bei Tennis Borussia in Charlottenburg.

© AFP

Erfolgsfan kann jeder. Sich ehrenamtlich zu engagieren und jungen Menschen Werte wie Teamgeist, Disziplin und Pünktlichkeit zu vermitteln, ist eine Herausforderung. Toleranz nicht nur auf Berlins Fußballplätzen, sondern auch für die Spielstätten sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Statt mit Maßregelungen, Gerichtsbeschlüssen oder Verboten in den Spielbetrieb zu grätschen.

Einer unserer Weltmeister, Jérôme Boateng, spielte in der Jugend bei Tennis Borussia und dann bei Hertha BSC. Groß geworden auf einem Amateurfußballplatz, vielleicht aus Ihrem Kiez.

Der Autor ist Leiter der Tagesspiegel-Fotoredaktion, Mitglied bei Hertha BSC und 2. Vorsitzender der Fußballabteilung von BSC Eintracht/Südring aus Kreuzberg.

Kai-Uwe Heinrich

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