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Berlin: Keine Zeit für Bücher

Ein Ausflug der Staatsbibliothek verärgert die Leser

Als der Philosoph Torsten Enge vergangene Woche aus Düsseldorf nach Berlin fuhr, freute er sich auf einen ergiebigen Recherchetag in der Staatsbibliothek. Er wollte Bücher zurückgeben und seltene Veröffentlichungen über den Dichter Wilhelm Müller studieren. Als der 47Jährige am Donnerstagmorgen dann vor dem Haus in der Potsdamer Straße eintraf, stieß er auf eine Ansammlung von Menschen, die verärgert vor verschlossenen Türen standen. Die gesamte Belegschaft der Bibliothek war auf Betriebsausflug, stand auf einem Schild. Es gab weder einen Notdienst für dringende Anliegen, noch eine Möglichkeit, entliehene Bücher irgendwo einzuwerfen. „Ein Unding“, schimpft Enge, „können die Mitarbeiter nicht in zwei Gruppen an zwei Tagen ihren Ausflug machen?“ Eine Französin war extra für diesen Tag aus Paris angereist, weil sie Bücher einsehen wollte.

Bei der Staatsbibliothek bedauert man, die Leser enttäuscht zu haben, wie Sprecherin Jeanette Lamble sagt. Allerdings seien die regelmäßigen Nutzer schon vor Wochen über Aushänge, das Internet und per Newsletter über die Schließung informiert worden. Jetzt will die Bibliotheksleitung nach Wegen suchen, künftige Ausflüge so zu planen, dass sie nicht zulasten der Leser gehen.Unverständnis über die Schließung äußert sogar die Gewerkschaft: „Ein Ausflug kann für das Betriebsklima gut sein, was ja wiederum den Kunden zugute kommt – aber das darf nicht zulasten der Bürger gehen“, sagt Verdi-Sprecher Andreas Splanemann. Erst vergangene Woche hatte ein Ausflug der Kfz-Zulassungsstellen Empörung ausgelöst. lvt

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