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Berlin: Kennzeichen CD - Die Welt in Berlin (Teil 14): Seine Exzellenz, der Poet

In seinem letzten Roman etwa, "Die Hochzeit des Dichters", lässt Antonio Skármeta einen Admiral und einen leutseligen alten Erfinder geistreich miteinander plaudern. Doch der Mann vom Militär ist gekommen, um den Alten zu erschießen.

In seinem letzten Roman etwa, "Die Hochzeit des Dichters", lässt Antonio Skármeta einen Admiral und einen leutseligen alten Erfinder geistreich miteinander plaudern. Doch der Mann vom Militär ist gekommen, um den Alten zu erschießen. Sie begegnen einander zunächst mit vollendeter Eleganz und Höflichkeit, das Gespräch verläuft wie ein Tanz, wie ein Ballett. Doch dann wird das Geschehen plötzlich extrem brutal. "Ich bin Chilene, Bürger eines brutalen Landes", sagt Skármeta. Zu der Romanpassage hat ihn die jüngste Vergangenheit des Landes inspiriert. "Unter Pinochet gab es Leute, die geradezu mondän über den Tod redeten, wie wenn man eine Tasse Tee trinkt."

So weit liegen die Welten der Literatur und der Diplomatie zwar nicht auseinander. Aber das Talent des Schriftstellers, sich zwischen den Polen zu bewegen, ist auch dem Botschafter hilfreich. Seit über einem Jahr leitet Skármeta, der Autor des Romans "Mit brennender Geduld", dessen Verfilmung "Il Postino" weltberühmt wurde, die chilenische Botschaft am Gendarmenmarkt mit 25 Mitarbeitern. Immer wieder wird er gefragt, wie er als schöpferischer Mensch mit der hölzernen Sprache der Diplomaten umgeht.

Wie er als Gesandter auf Ausgleich und Konsens bedacht sein kann, während er als Dichter starke Meinungen vertritt. "Diplomatie muss keineswegs nur Schönfärben und Schmeicheln bedeuten", sagte der Chilene. "Auch als Vertreter meines Landes habe ich Spielraum, die Dinge so oder so darzustellen." Er erklärt es am Beispiel Pinochet. Als der in London verhaftete Ex-Diktator im März 2000 an sein Heimatland ausgeliefert wurde, bezweifelten viele Europäer, dass er sich dort für die Verbrechen des Militärregimes verantworten muss. Wenig später trat Skármeta in Berlin sein Amt an.

Der Poet, der 1975 vor Pinochet nach West-Berlin ins Exil geflüchtet war und dessen erster Roman "Ich träumte, der Schnee brennt" vom Leben in Santiago nach dem Militärputsch handelt, sollte nun seinen deutschen Gesprächspartnern die Entscheidungen der chilenischen Behörden vermitteln. Da sei es ihm weniger darum gegangen, Partei zu ergreifen, sagt Skármeta. Er habe vielmehr Wege in die Zukunft aufzeigen wollen.

"Es war für die Entwicklung der Demokratie wichtig, dass chilenische Richter dem Ex-Diktator den Prozess machen, auch wenn er nun für dement und nicht prozess-fähig erklärt wurde." Der Schriftsteller vertritt nur sich selbst, der Botschafter dagegen repräsentiert ein Land und trägt Verantwortung für viele Menschen.

"Natürlich verhalte ich mich als Diplomat nicht genauso wie als Autor", sagt Skármeta. "Die Beziehungen zwischen den Völkern sind ein Bereich, wo niemand Fiktion und Wirklichkeit verwechseln sollte." Als Botschafter will er den Deutschen die komplexen Verhältnisse in dem lateinamerikanischen Land näher bringen, das erst seit 1990 wieder demokratisch regiert wird. Und wer könnte sich dafür besser eignen als der wortgewandte Skármeta, der über auch die ernsten Dinge des Lebens mit so viel Charme und leiser Ironie spricht, dass niemand sich vor den Kopf gestoßen fühlt. In einer Zeit, in der Diplomaten vor allem als Lobbyisten der heimischen Wirtschaft wirken, mag der chilenische Literat manchen wie ein Anachronismus vorkommen. Doch Staatspräsident Ricardo Lagos hatte sehr modernde Hintergedanken, als er Skármeta den Posten in Berlin antrug. "Anders als die meisten Botschafter brauche ich nicht um Publikum zu werben, ich habe schon eins", erklärt der Botschafter. Während gewöhnliche Bürger selten etwas über die Gesandten Paraguays oder Venezuelas erfahren, hat Skármeta einen strategischen PR-Vorteil.

Karrierediplomaten sind Experten des Außenhandels oder der internationalen Institutionen, Chiles Chefdiplomat ist ein Fachmann der Kommunikation mit der Masse. In zweiter Ehe mit einer Berlinerin verheiratet, bleibt dem Botschafter für das Familienleben wenig Zeit. Seine Frau Nora und der 12-jährige Sohn Fabian sehen Skármeta meist nur beim Abendessen. "Danach ziehe ich mich für zwei oder drei Stunden zurück, um zu schreiben." Noch drei Jahre lang will er beide Berufe gleichzeitig ausüben, eine diplomatische Laufbahn plant er anschließend nicht. "Es sei denn, man böte mir eine ganz besondere Vertretung an", sagt der 60-Jährige. Er könnte sich vorstellen, eine Art mobiler Kulturbotschafter Lateinamerikas zu sein, der die Traditionen des Subkontinents in der Welt bekannt macht.

Diesen Posten gibt es zwar noch nicht, aber Skármeta hat schon Visionen dafür: "Als erstes würde ich ein gemeinsames Kulturfernsehen aller südamerikanischen Länder schaffen."

Andrea Exler

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