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Berlin: Kindertag der Linken

Fraktion beschließt Programm für arme Familien – und muss sich auf einen Richtungsstreit einstellen

Mit einem 21-Punkte-Programm will die Berliner Linksfraktion Kindern aus armen Familien zu mehr Chancen verhelfen. Gestern beschloss sie auf ihrer Klausurtagung im brandenburgischen Templin ein Konzept, das teilweise auf Absichtserklärungen aus der rot-roten Koalitionsvereinbarung beruht, teilweise aber auch noch mit der SPD und im Bund verhandelt werden muss.

So soll eine gemeinsam mit Bremen gestartete Bundesratsinitiative Kindern von Hartz-IV-Empfängern mehr Geld verschaffen als die zurzeit gültigen 208 Euro im Monat. Auch soll das Kindergeld nicht mehr auf den Regelsatz angerechnet werden, und außerdem sind Sonderzahlungen, etwa zur Einschulung, vorgesehen. Geplant ist weiter, allen Kindern Kita- und Hort-Plätze anzubieten – auch denen, deren Eltern beide nicht arbeiten. Wer Sprachdefizite hat, soll die Kita im letzten Jahr nicht mehr nur halbtags, sondern sieben Stunden am Tag besuchen dürfen. In diesem Punkt will der SPD-Bildungspolitiker Karlheinz Nolte sogar noch weitergehen und den Sieben-Stunden-Tag ab 2009 allen Kindern im letzten Kita-Jahr anbieten: „Jetzt muss man nur noch sehen, wie man das finanziert“, sagte er gestern.

Abgesegnet wurde von den Linken das „Starterpaket“ für bedürftige Erstklässler, für das im aktuellen Doppelhaushalt schon pro Jahr jeweils 300 000 Euro eingeplant sind. Das Geld sollen die Schulen bekommen, damit sie davon Arbeits- und Verbrauchsmaterialien kaufen können. Weitere 17 Euro pro Schüler und Monat sind für die Ganztagsgrundschulen vorgesehen, so sollen alle Kinder für 23 Euro Zuzahlung pro Monat ein Mittagessen sicher haben. Was von dem Zuschuss übrig bleibt, soll in einen Härtefallfonds fließen und bei akuten Problemen abrufbar sein.

Mit dem „Sozialpass“, der allerdings noch einen sozialverträglicheren Namen bekommen soll, wollen die Linken alle Vergünstigungen für Bezieher staatlicher Hilfen bündeln – und neue erschließen. Die Karte soll gleichermaßen als Berechtigung fürs Sozialticket der BVG wie für Ermäßigungen in Museen und Freizeiteinrichtungen gelten. Die Idee, dass auch Handwerker als Partner gewonnen werden könnten, indem sie bei freien Kapazitäten beispielsweise die Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern zu Sondertarifen renovieren, ist bisher allerdings nur ein frommer Wunsch.

Dass der Landesrechnungshof die in Berlin relativ großzügig gehandhabten Wohnkostenzuschüsse für Hartz-IVEmpfänger moniert hat, empfinden die Linken eher als Lob. Jetzt fordern sie zudem, die Richtwerte der aktuellen Entwicklung von Miet- und Betriebskosten anzupassen, also bei Bedarf sogar zu erhöhen.

Als schwer lösbares Problem sieht Fraktionschefin Carola Bluhm die Frage, wo die Armutsgrenze gezogen wird: Viele Vergünstigungen nützen ausgerechnet jenen nichts, deren Arbeit nur etwas mehr Geld einbringt als Hartz IV. Da die Linke um diese Klientel mit der SPD konkurriert, würden sich wohl beide gern als Wohltäter profilieren.

Eine neue Kluft könnte sich bald schon inmitten der eigenen Fraktion auftun: Nachdem sich mehrere führende Landeslinke zu mehr Bürgerlichkeit bekannt hatten, meldete sich gestern die erste Kritikerin zu Wort: „So geht das nicht“, erklärte die sichtlich verärgerte Abgeordnete Evrim Baba: „Um die, die ordentlich verdienen, müssen wir uns nicht kümmern, das tun die anderen.“ Sie forderte konsequente Abgrenzung, „sonst fallen wir auf die Nase, weil uns die Leute diesen Spagat nicht glauben“. Baba bezweifelt, „dass die Mehrheit in der Partei die Position von Harald Wolf teilt“ (siehe Interview). Am Dienstag wird sie es genauer wissen: Dann will sie auf der Fraktionssitzung über die neue Offenheit ihrer Partei diskutieren.

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