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Berlin: Klare Worte mit Bourbon-Stimme

Zum ersten Mal trat Norman Mailer bei einer Aufführung in Berlin auf. Er las Ernest Hemingway und interpretierte die Weltlage aus der Sicht des Schriftstellers

Von Elisabeth Binder

Norman Mailer ist ein Mann, der schnell zum Punkt kommt. Etwas mühsam an zwei Stöcken gehend, betritt er am Samstag dennoch zielstrebig in Begleitung des Autors George Plimpton den Salon im Adlon. Liegt es am Jeanshemd oder an den blitzenden Augen, dass er gleich als Macho rüberkommt? Wahrscheinlich ist es doch die gleichzeitig sonore und provokante Art zu reden.

Sein Verhältnis zu Berlin beschreibt er kurz in drei Anekdoten. Der Anfang war wie der Beginn einer leidenschaftlichen Liebe: „Als ich 1959 zum ersten Mal nach Berlin kam, trat ich aus dem Flugzeug und hatte eine Erektion.“ Am nächsten Tag stand er auf dem Ku’damm vor dem Hotel am Zoo, und ein Mann deutete auf einen Polizisten und sagte „Ich wette, der scheißt wie ein Elefant.“ Die Verwandtschaft zwischen Berlin und New York hat er ebenfalls ziemlich rasch durchschaut. In New York gelte „You’re full of shit“ als angemessene und höfliche Antwort auf jedwede Frage. Als nächstes freundete sich der fanatische Bourbon-Trinker mit einigen Bar-Frauen an, und sie sagten ihm, was er hören wollte: „Leute, die Scotch trinken, haben schon aufgegeben.“ Damit war die Melodie gesetzt.

„Ich dachte, wir wollten über Irak reden“, sagt der Autor von „Die Nackten und die Toten“ schließlich ohne weitere Umschweife. Gelächter vertreibt die Anspannung. Während er souverän seine Thesen entwickelt (siehe auch S. 25), betont er, dass er sich als Literat in eine Situation nur hineinversetzt. Beschränkt sich dann auch ganz auf die kreative Schiene, als er nach den deutsch-amerikanischen Beziehungen gefragt wird. Er habe sich nicht näher damit befasst, halte aber Schröder für einen harten Burschen, „a tough guy". Das könne doch nicht alles nur um des Wahlkampfes willen gewesen sei, mutmaßt Mailer. Gegen die US-Regierung aufzustehen und zu sagen: „Da machen wir nicht mit“, hält er eher für „bold“, was sowohl „kühn“ als auch „keck“ bedeuten kann.

Wenn er spricht, sieht er dem Fragenden direkt in die Augen. Und bevor es zu ernst wird, macht er immer wieder einen Witz. Den 11. September beschreibt er literarisch. „Es war der Tag des Teufels.“ Da er in Massachusetts lebe, kenne er Logan Airport um acht Uhr in der Frühe. „Sowas kann man nicht planen. Die haben einfach Glück gehabt.“ Für die Amerikaner seien beim Anblick der durch die Häuserschluchten fliehenden Menschen alle Horrorfilme Wirklichkeit geworden, die sie in den vergangenen Jahrzehnten gesehen haben, „wie im Albtraum eines Kindes“.

Am Vorabend, bei der Lesung des Stücks „Zelda, Scott and Ernest“ von George Plimpton und Terry Quinn ging es um unschuldigere Zeiten, um große literarische Legenden Amerikas. Aber Norman Mailer ist ja selbst eine lebendige Legende. Sein wirkt so elektrisierend, dass es absolut keine Reklame brauchte, um den großen Saal der Akademie der Künste komplett zu füllen. Erst Anfang des Monats hatte Gary Smith, Chef der American Academy, von der Möglichkeit erfahren, Norman Mailer, seine Frau Norris und George Plimpton nach Berlin zu holen, und gleich alle Hebel in Bewegung gesetzt.

Die szenische Lesung über die schwierige Beziehung zwischen Ernest Hemingway, Zelda und F. Scott Fitzgerald wird sehr zum Zorn des Publikums gelegentlich unterbrochen von einer offenbar mental gestörten Frau. Die drei reagieren schlagfertig und verstehen es wunderbar, die melancholische Atmosphäre, in der die moderne Coolness ihren Ursprung nahm, heraufzubeschwören, Norris Church Mailer mit wunderbar tiefem Südstaaten-Singsang und ausdrucksstarker Artikulation, Norman Mailer als Hemingway mit seiner manchmal kratzigen Bourbon-Stimme und George Plimpton mit feinem Tonfall von Ironie und Selbstzweifel. Offizielle Auftritte von Norman Mailer sind hierzulande leider überaus rar. Aber ein Freund aus seiner Begleitung erzählt, dass Mailer, der am Vortag den höchsten österreichischen Orden für Künstler erhalten hat, in den letzten Jahren dreimal in Berlin gewesen sei; und wenn er sich auch strikt weigere, darüber zu reden, sei zu vermuten, dass er an einem Projekt arbeitet, das mit Deutschland zu tun hat. Erstmal kommt zum 80. Geburtstag eine Art Lehrbuch über die Kunst des Schreibens heraus, „The spooky Art“. Die Kunst könne man nicht einfach so weitergeben, aber vielleicht das, worauf es dem Künstler ankommt. „Ich will die Gedanken meiner Leser öffnen, will, dass sie meinen Geist überholen und mich aus einer anderen Richtung dann wieder erreichen.“

Auch bei diesem Besuch gab es einen ersten Eindruck, von dem Mailer vor der Lesung erzählte, und er wies eindeutig in eine poetische Richtung: „Wir sahen als erstes einen wunderschönen Regenbogen, der uns alle tief berührt hat.“ Für solch einen Ehrenstipendiaten würde Gary Smith den roten Teppich bestimmt ganz weit ausrollen.

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