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Berlin: Klaus Böger im Interview: "Trotz Finanznot hat die Bildung Vorrang"

Klaus Böger ist seit 1999 Schulsenator und Bürgermeister. Die CDU hat Sie als Verräter beschimpft, weil Sie sich früher gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS aussprachen, jetzt aber eine Koalition mit der Gysi-Partei nicht mehr ausschließen.

Klaus Böger ist seit 1999 Schulsenator und Bürgermeister.

Die CDU hat Sie als Verräter beschimpft, weil Sie sich früher gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS aussprachen, jetzt aber eine Koalition mit der Gysi-Partei nicht mehr ausschließen. Trifft Sie das?

Von Verrat kann keine Rede sein. Der Senat unter Eberhard Diepgen war zuletzt nicht mehr handlungsfähig. Wenn die CDU das als "Verrat" bezeichnet, haben wir es hier mit einer verschmähten Liebe zu tun. Aber in der Politik gibt es keine bedingungslose Zuneigung. Mein Handeln ist immer an das Interesse der Stadt gebunden. Es gibt keinen Schmusekurs mit der PDS.

Wie muss man sich denn eine gemeinsame Schulpolitik mit der PDS vorstellen? In den vergangenen Jahren gab es kein Thema, bei dem Sie mit ihr an einem Strang zogen.

Es gibt auch mit der PDS gemeinsame Schnittmengen. Ein Beispiel ist die stärkere Orientierung auf den Leistungsgedanken. Daran haben auch PDS-Wähler Interesse. Aber natürlich muss ich sagen, dass die PDS kein Wunschkandidat ist.

Sie hatten viel Ärger als Schulsenator. Zu hören war, Sie hätten gern das Innenressort.

Wo schwierige Entscheidungen anstehen, gibt es auch manchmal Ärger. Wichtig ist, dass der Kurs stimmt. Es ehrt mich, wenn man mir das Innenressort zutraut. Aber mein Herz gehört der Schulpolitik. Ich bin verliebt in das Gelingen einer großen Bildungsreform und will das durchziehen.

Wie sieht diese "große Bildungsreform" aus?

Es gibt mehrere Elemente: Da ist das Prinzip, dass Bildung Priorität hat und trotz schrumpfendem Haushalt Dinge verbessert werden müssen - etwa die Sanierung der Schulgebäude und die Festschreibung der Lehrmittel. Wir müssen auf allen Gebieten die Qualität verbessern und den Schulen mehr Verantwortung geben. Dann steht die Herkulesaufgabe der Ausländer-Integration an und Veränderungen der Schulstrukturen.

Welche greifbaren "Veränderungen"?

Die Verkürzung der Schulzeit zum Abitur auf 12 Jahre steht im Wahlprogramm, das die SPD kommende Woche vorstellen wird. Wir wollen in einem ersten Schritt, dass die Schüler einige Monate früher das Abitur ablegen und schon im Sommersemester das Studium aufnehmen können.

Darüber wird schon lange gesprochen. Wann ist es denn endlich soweit?

Der jetzige 9. Jahrgang kann ab 2002/03 die veränderte Oberstufe besuchen und dann 2005 das vorgezogene Abitur machen.

Und wie lange dauert es bis zur Verkürzung um ein volles Jahr? Die Kultusminister sperren sich doch dagegen, weil Berlin mit seiner sechsjährigen Grundschule dann nur sechs Jahre Gymnasium böte.

Es stimmt so nicht, dass sich die KMK sperrt. Sie verlangt nur, dass wir in der 5. und 6. Klasse mehr Unterrichtsstunden anbieten.

Halten Sie trotz der Finanznot daran fest, dass Sie alle Lehrerstellen behalten wollen, obwohl die Schülerzahlen drastisch sinken?

So ist es. Und ich habe dafür auch Rückendeckung durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Wir wollen den Schülerrückgang dafür nutzen, mehr Ganztagsschulen zu bieten. Außerdem wollen wir das Netz der Grundschulen mit zuverlässiger Halbtagsbetreuung ausbauen.

In welchem Umfang?

Bis Ende der kommenden Wahlperiode sollen fast alle Grundschulen dieses Halbtagsangebot machen können. Mit dem Ausbau der Oberschulen zu Ganztagsschulen dauert es länger. Erste Schritte sind aber denkbar.

Die CDU war Ihnen doch auch schon sehr weit entgegen gekommen bei Ihren Stellenwünschen. Hätten Sie das mit der Großen Koalition nicht auch erreichen können?

Nein. Ich hatte mehrere Gespräche mit dem CDU-Innensenator über meine Organisationsrichtlinien für das neue Unterrichtsjahr. Er wollte sogar die 500 Pufferstellen für dauerkranke Lehrer streichen. Außerdem sah der CDU-Nachtragshaushalt vor, dass ich 235 Stellen verliere. Dagegen hat der neue Innensenator Ehrhart Körting die Pufferstellen und 100 zusätzliche Referendarstellen zugesagt. Und zudem noch - erstmal bis zum Jahresende - die 60 Stellen für die Behindertenintegration bewilligt. Fürs neue Jahr muss der neue Senat entscheiden.

Die CDU befürchtet, dass die über 1000 Lehrerstellen für die Behindertenintegration nur deshalb nicht reichen, weil sie nicht immer richtig eingesetzt werden.

Behindertenintegration ist mir sehr wichtig. Das Verfahren muss aber überprüft werden. Wir werden jetzt kontrollieren, wie die Mittelvergabe erfolgt, wie die Förderausschüsse in den einzelnen Bezirken arbeiten. Ich lasse mir auch die Zahlen über die Schülerzuwächse bei den Sonderschulen geben.

Ist es nicht eigenartig, dass die Schülerzahlen an den Sonderschulen nicht zurückgehen, obwohl tausende Schüler inzwischen in die Regelschulen integriert werden?

Wir haben in einer Großstadt wie Berlin offensichtlich viele verhaltensgestörte Kinder. Das ist unserer gesellschaftlichen Situation geschuldet. Diesen Kindern muss gerade auch die Schule helfen.

Die CDU hat Sie als Verräter beschimpft[weil]

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