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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Parteikollege, Innensenator Geisel, wollten Videoüberwachung an einzelnen, kriminalitätsbelasteten Orten - das wussten die Koalitionspartner zu verhindern.

© Mike Wolff

Klausurtagung des Berliner Senats: SPD kann sich bei Videoüberwachung nicht durchsetzen

Schutzwesten und Pistolen: Auf seiner ersten Klausurtagung reagiert der rot-rot-grüne Senat auf den Anschlag am Breitscheidplatz. Die Videoüberwachung kommt - aber nur mobil und temporär.

Von Sabine Beikler

Nach dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz rüstet Rot-Rot-Grün die Sicherheitsbehörden auf. Die Berliner Polizei soll 6300 ballistische Schutzwesten im Wert von 6,3 Millionen Euro erhalten. Die bisherigen Schutzwesten sollen für 6,6 Millionen Euro in höhere Schutzklassen umgerüstet werden. 12.000 fehlende Dienstpistolen sowie ein Waffenkonzept für das Landeskriminalamt werden für 9,3 Millionen Euro angeschafft und umgesetzt. Großveranstaltungen sollen künftig noch besser geschützt werden. Die Kosten für diese Maßnahmen belaufen sich auf 45 Millionen Euro noch in diesem Jahr. Und das ist laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) erst der "erste Aufschlag" in dieser Legislaturperiode. Geisel, Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) präsentierten am Montagabend erste Ergebnisse der Senatsklausur im Roten Rathaus.

Die Berliner Polizei wird ferner neue Maschinenpistolen im Wert von 8,8 Millionen Euro erhalten. Fünf mobile Wachen sollen mit fünf Fahrzeugen ausgestattet werden. Der Beschaffungswert pro Fahrzeug beträgt laut Geisel 100.000 Euro. Die Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr sollen ebenso aufgerüstet werden wie die "Netzhärtung" für den Digitalfunk. Ein Serverausfall wie Silvester in der Leitstelle solle nach einer Nachrüstung nicht mehr passieren.

"Es wird keine flächendeckende, dauerhafte Videoüberwachung geben."

Geisel hatte am Freitag ein Entwurfspapier für ein Sicherheitspaket veröffentlicht. Dieses werde nach "intensiven Diskussionen" mit den Koalitionspartnern fortgeschrieben, so der SPD-Politiker. Geisel, aber auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) konnten sich jedoch nicht mit ihrem Vorschlag durchsetzen, Videoüberwachung an einzelnen, kriminalitätsbelasteten Orten einzusetzen. Stattdessen wird künftig Videoüberwachung zum Schutz von Großveranstaltungen wie Fanmeilen oder Kirchentage "mobil und temporär" zum Einsatz kommen, wie Geisel sagte. "Es wird keine flächendeckende, dauerhafte Videoüberwachung geben."

Linke und Grüne lehnten eine dauerhafte Videoüberwachung ebenso wie die Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) in Berlin ab. Eine Gesetzesänderung sei nun nicht mehr notwendig, so Geisel. Man habe das bestehende Gesetz "breit interpretiert".

Trotz Bedrohung keine Aufgabe der Freiheit

Auch nach solch furchtbaren Attentaten wie in Berlin solle man "nicht in Reflexe" verfallen, die in der "Freiheitsabschaffung" mündeten, sagte Senator Lederer. Die Koalition habe pragmatisch über Videoüberwachung diskutiert. Man habe immerhin schon 15.000 Kameras in der Stadt. Terroristen würden auch vor Kameras nicht Halt machen. Umso wichtiger sei es, dass die Polizei ihren Dienst "sicher versieht" und den Beamten für ihre gute Arbeit Wertschätzung gezeigt werde. Lederer sagte, Sicherheitskonzepte für öffentliche Einrichtungen seien notwendig, um "punktgenau" reagieren zu können.

Im Roten Rathaus wird diskutiert, verhandelt – und gegessen. Die erste Klausur kann lange dauern.
Im Roten Rathaus wird diskutiert, verhandelt – und gegessen. Die erste Klausur kann lange dauern.

© Soeren Stache/dpa

Justizsenator Behrendt kündigte zwei Maßnahmen für die Justiz aus dem Sofortpaket an: Das Kriminalgericht erhält zwei neue Sicherheitssäle für 4,5 Millionen Euro. Und die Deradikalisierungsprogramme in den Berliner Gefängnissen sollen intensiviert werden. Aus den Fehlern der Sicherheitsbehörden im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri müssten deutliche Schlüsse gezogen werden. Behrendt forderte, dass künftig auch die Generalstaatsanwaltschaft im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin miteinbezogen wird. Am 13. Januar wird laut Behrendt der Bericht des Landeskriminalamts Berlin, Nordrhein-Westfalens und des Bundeskriminalamts veröffentlicht, aus dem sich möglicherweise weitere Maßnahmen ergeben könnten.

Identitätsverschleierung soll für Flüchtlinge Folgen haben

Die Koalition setzt bei Flüchtlingen auf eine eindeutige Identitätsfeststellung. Sollten diese ihre Mitwirkung verweigern oder ihre Identität vertuschen, werden sie mit Konsequenzen rechnen müssen. Jurist Lederer betonte, man werde Flüchtlinge nicht unter einen Generalverdacht stellen. "Aber wenn eine Gefährdung existiert, nutzen wir auch die Möglichkeiten, die das Aufenthaltsgesetz erlaubt." Laut Geisel leben 73 Gefährder derzeit in Berlin, von denen 80 Prozent Deutsche seien. Der Umgang mit diesen ließe sich deshalb auch nicht zum Beispiel über die Forderung nach Abschiebungen lösen.

Das Berliner Abschiebegefängnis in Köpenick wurde im Herbst 2015 geschlossen. Seitdem setzte das Land auf "Direktabschiebung ohne Haft". Und sollten doch einmal Menschen in Abschiebegewahrsam genommen werden, gebe es noch Plätze in Eisenhüttenstadt, sagte der grüne Justizsenator Behrendt.

Rot-Rot-Grün wollte am Abend noch weiter über das 100-Tage-Programm, die Richtlinien der Regierungspolitik und über die Geschäftsverteilung sprechen. Die Ergebnisse sollen am Dienstag präsentiert werden.

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