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Berlin: Kleine grüne Welt

Schon vormittags rollen hier Fahrräder und Kinderwagen. Babys lernen auf den Wiesen das Laufen, Eltern entspannen im Cafe – seit 100 Jahren gibt es den Pankower Bürgerpark

Der Pankower Bürgerpark macht seinem Namen alle Ehre. Er lädt jeden ein, er drängt sich nicht auf, ist nicht langweilig, auch nicht anstrengend. Er ist einfach da als kleine grüne Welt am Rande der Steinstadt, wie eine Wiese oder ein Platz, den zuzubauen sie in voller Absicht vergessen haben all die Jahre. Damit der Bürger an dieser Stelle seine Ruhe hat.

Wir laufen durch das imposante Eingangstor, dieses anno 2007 rekonstruierte Parkportal, das in seiner 140-jährigen Lebenszeit sechs Mal renoviert worden ist und mal grau, mal rot, dann gelb, aber auch weiß angestrichen war. Nun umschließt es, sandfarbenfrisch, die schmiedeeisernen Torgitter, deren Rost in ein strahlendes Silber verwandelt wurde. Hinter dem Brunnen mit der Fontäne dehnt und streckt sich die Pankower Bürgerparkwiese, so groß wie ein Fußballfeld, mit saftigem Rasen. Ungefähr ein paar Meter zwischen Außenlinie und Mittelkreis steht eine wuchtige Linde, Eichen gibt es ringsum, große und kleine, „die da“, sagt der Gartenpfleger und zeigt mit der Harke auf ein schlankes Stämmchen, „die da haben vor einem Jahr junge Leute als Andenken für ihren Freund gepflanzt, der war mit seinem Motorrad tödlich verunglückt“.

Es ist früher Vormittag, jetzt rollen hier die Räder: Fahrräder, die es eilig haben, Rollstühle in dankbarer Muße, Rasenmäher mit hörbarem Fleiß und Kinderwagen, Opa und Oma vorneweg und hintendran. Später gehen sie zu den Bergziegen und Paradiesvögeln, die Jungen breiten auf der Liegewiese ihre Decken aus, holen den Rotwein aus dem Korb, werden miteinander zärtlich sein und den Babys das Laufen beibringen. Oder sie sitzen im Park-Café und blicken auf den Rosengarten. Oder sie erinnern sich an die kleine Parkbibliothek, in der es Stühle gab und Literatur, kostenlos, und sie fragen sich: Warum, um Gottes Willen, hat sich im Jubiläumsjahr des Parks niemand gefunden, der den Bücherschatz behütet, in der Hauptsaison verleiht und wieder entgegennimmt? Streng blickt Heinrich Manns Büste von ihrem Podest, lässig geht Fritz Cremers „Johannes R. Be her“ (dem sie das „c“ geklaut haben), die Hände in den Taschen, einer glorreichen Zukunft entgegen.

Alle paar Minuten huscht ein silbernes Geschoss als Schatten über das Gras, man glaubt da oben hinter den Fenstern Gesichter zu sehen, so nah ist hier diese andere Welt mit ihrem Gedröhn: „In einer Minute landen wir in Berlin-Tegel“. Als der Park gebaut wurde, dachte noch niemand an die spätere Einfallsschneise der fliegenden Touristenkisten.

Es war 1856, als der Berliner Zeitungsverleger und Chef der „Börsenzeitung“ Hermann Killisch von Horn vor dem Dörfchen Pankow ein Stück Land erwarb und dort in den folgenden 15 Jahren einen ausgedehnten Park anlegte. „Über viele Jahre konnten die Pankower darin flanieren, aber im Jahre 1907 hatten sie den Park schon seit rund 25 Jahren nicht mehr betreten“, sagt Astrid von Killisch-Horn, die als eine Art Hommage an ihren Urgroßvater drei Jahre lang die Familien- und Parkgeschichte erforschte und, rechtzeitig zum Jubiläum, ein feinfühliges, faktenreiches und höchst informatives Buch („Bürgerpark Pankow – Grüner Lebensraum im Zeitenwandel“) aus all dem machte.

„Durch fünf politische Systeme und 150 Jahre war der Park stets das Lieblingskind der Bürger und der Gärtner, eine Vielzahl kleiner Geschichten verbinden die Berliner und besonders die Pankower mit ihrem Park, dessen Gartenrestaurant in den dreißiger Jahren mit 5000 Plätzen im Gartenbereich und Sälen für 1000 Personen warb“, sagt Astrid von Killisch-Horn, die auch die Ausstellung „Ein mässig grosser Garten...“ im Museum Heynstraße gestaltete. Die Zeitung „Berliner Norden“ beschrieb 1922 so eine Anekdote um den stattlich-eleganten Gartenbesitzer und Naturfreund, der seine Feste im Bürgerpark feierte und für seine Freigebigkeit bekannt war. „So soll er für jedes im Park erlegte Eichhörnchen eine schöne Summe gezahlt haben. Da man ihm jedoch nur die Schwänze der erlegten Tiere zeigen brauchte, und da ein Eichhörnchenschwanz sich geduldig viele Male vorzeigen ließ, soll er eine ganz nette Stange Geld auf diese Weise losgeworden sein“.

Später, nach dem Tode Killischs und seiner tatkräftigen Frau, kommen stürmische Zeiten über den Park. „Mit Wehmut sieht der Naturfreund dieses idyllische Stückchen Erde vom modernen Zeitgeist angegriffen und zerstört“, schreibt das „Wochenblatt für Niederschönhausen“ im Februar 1906. Der Park sollte parzelliert und häppchenweise verkauft werden. In hartem Ringen überzeugte Bürgermeister Wilhelm Kuhr die Vertreter der Dorfgemeinde und die Erben des Parkbegründers, den Pankower Park für stolze 1,45 Millionen Reichsmark zu kaufen. Schließlich war der Ruf als „Alte Parkstadt“ und „Gesündester Vorort des Nordens“ zu verteidigen.

Am 25. August 1907 übergab Wilhelm Kuhr feierlich den Park dem Bürgervolk. „Zur damaligen Zeit war der Park noch von verschlungenen Wegen durchzogen und mit großen Gebäuden und Schmuckbauten durchsetzt“, sagt Killisch-Horns Urenkelin. „Wo sich heute die freie Wiese befindet, bildeten Baum- und Strauchgruppen Sichtachsen aus, und der Streifen nördlich der Panke, die mitten durch den Park fließt, kam erst 1923 als Volkspark Schönholzer Heide hinzu“. Der Bürgerpark war 1911 zum Kurpark geworden, weil der Drogist Karl Rahn in der nahen Wollankstraße 46 Mineralwässer anbot. „Eine Badereise ist gut, aber teuer, billiger und ebenso wirksam ist eine Brunnen-Kur im Pankower Bürgerpark!“

100 Jahre später wird heftig gefeiert, mit Jazz, Swing und Leierkästen am 25. und 26. vor dem neuen Tore. Und schon am 24. August feiern sie 150 Jahre Markt am Anger. Nicht nur mit Selterswasser.

Weiteres im Internet:

www.buergerpark-pankow.de

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