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Klimaschutz: Berlin bekommt Ökostrom zweiter Wahl

Experten bezweifeln einen Klimaschutzeffekt durch Berlins neuen Energievertrag. Der Strom kommt nicht aus Neuanlagen, sondern aus alten Wasserkraftwerken. Dadurch wird kein zusätzliches Kohlendioxid eingespart.

Sie wurde als Riesenerfolg und als weithin beachtetes Signal für den Klimaschutz gefeiert: Die Stromausschreibung des Landes, dank deren Vorgaben die öffentlichen Einrichtungen Berlins ab 2010 komplett mit Ökostrom versorgt werden. Auf gewaltige 460 000 Tonnen pro Jahr bezifferte die Finanzverwaltung die jährliche CO2-Vermeidung. Nur spricht einiges dafür, dass dieser Klimaschutzeffekt ausschließlich auf dem Papier existiert.

Ermöglicht wurde das durch die Ausschreibung der Finanzverwaltung. In der wurde zwar die CO2-Bilanz des Stroms berücksichtigt, aber kein Mindestanteil für Strom aus neuen Anlagen verlangt. Eine solche Quote fordert beispielsweise ein vom Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt (Uba) schon vor Jahren herausgegebener Leitfaden. Denn nur diese Quote sichert, dass die Versorger tatsächlich in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren. Ohne die Vorgabe kann auch solcher Ökostrom geliefert werden, der ohnehin längst produziert wird. Gegen den ist zwar nichts einzuwenden, aber er hat keinen Zusatznutzen. Laut der Uba-Empfehlung darf nur die CO2-Minderung durch Ökostrom aus nagelneuen Anlagen zu 100 Prozent angerechnet werden. Bei maximal sechs Jahre alten Anlagen werden noch 50 Prozent Minderung akzeptiert, bei mehr als zwölf Jahre alten gar keine mehr.

Der Energielieferant Vattenfall wollte sich zur Herkunft des Stroms fürs Land nicht äußern. Aber die Finanzverwaltung gibt Auskunft: Es handele sich um sogenannte Recs-Zertifikate, heißt es. Mit diesen Zertifikaten können Stromanbieter eine bestimmte Strommenge als „Öko“ etikettieren und diese Eigenschaft an ihre Kunden – in diesem Fall ans Land Berlin – weitergeben. Gekauft wird also kein Strom, sondern nur die Eigenschaft „öko“. Das Recs-Etikett darf auch auf solchen Ökostrom geklebt werden, der ohnehin produziert wird und zuvor einfach ohne diese formale Veredelung ins Stromnetz eingespeist wurde. Der Professor Uwe Leprich von der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft hat kürzlich in einer Studie für die Umweltorganisation Greenpeace ermittelt, dass die ausgegebenen Recs-Zertifikate im Jahr 2007 zu 92 Prozent für zumeist norwegische Wasserkraftwerke vergeben wurden, von denen viele längst abgeschrieben sind. Da laut der Studie das ohnehin vorhandene Ökostrom-Angebot viel größer ist als die Menge der europaweit nachgefragten Zertifikate, bewirke ein so konstruiertes Angebot „aktuell und auf absehbare Zeit in aller Regel keinen ökologischen Zusatznutzen“, resümiert Leprich. Das gleiche Fazit zieht der Uba-Leitfaden: Recs-Zertifikate seien zum Nachweis geforderter Umwelteffekte „grundsätzlich nicht geeignet“.

Während das in der Berliner Ausschreibung nicht berücksichtigt wurde, haben Bremen und Bremerhaven ihren Ökostrom entsprechend dem Uba-Leitfaden ausgeschrieben. Im Ergebnis erhalten die Städte seit Jahresbeginn überwiegend Strom aus neu gebauten Wasserkraftwerken. Die Mehrkosten gegenüber konventionellem Strom liegen bei 1,2 Prozent.

Für Berlin ergibt sich ein Aufpreis von weniger als 0,2 Prozent, wenn man die von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) im Abgeordnetenhaus genannten Öko-Mehrkosten von 150 000 Euro zugrunde legt. Nach Tagesspiegel-Informationen hat Vattenfall dem Land allerdings nicht nur dieses zwar formal korrekte, aber ökologisch höchst fragwürdige Schnäppchen angeboten, sondern auch einen Ökostrom mit realem Nutzen. Doch der schied offenbar aus, weil er teurer war. 

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