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Berlin: Koalitionsstreit verzögert Ruhestand - Diepgen will Staatssekretär

Gestern sollte Schluss sein. Leopold Bill von Bredow wollte in den Ruhestand treten, endgültig.

Gestern sollte Schluss sein. Leopold Bill von Bredow wollte in den Ruhestand treten, endgültig. Doch es kam wieder einmal anders. Er macht weiter, die geplante März-Reise mit der Ehefrau in die Berge fällt aus. Der Protokollchef des Landes Berlin ist mittlerweile 67, aber für den Regierenden Bürgermeister immer noch unabkömmlich. Eberhard Diepgen ist um einen Nachfolger verlegen. Da konnte Bredow nicht Nein sagen. Er ließ sich noch einmal bis Ende Mai dienstverpflichten, gar nicht so ungern. "Es ist doch ein angenehmes Gefühl, wenn man gebeten wird", sagt er mit samtener Stimme und leisem Lächeln.

Wer nach dem Nachfolger fragt, bekommt vom Chef der Senatskanzlei, Volker Kähne, eine einsilbige Antwort: "Das ist offen." Was Kähne nicht sagt, ist eine kleine delikate Meinungsverschiedenheit mit der SPD. Diepgen will einen Protokollchef im Staatssekretärsrang, wie er bis 1990 üblich war, die SPD ist nicht dafür. In Diepgens CDU-Umgebung ist von einer Koalitionsabrede die Rede. Dem neuen SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit ist eine solche "unbekannt", und: "Grundsätzlich muss es kein Staatssekretär sein." Sein Fraktionssprecher Peter Stadtmüller spricht sogar von "imperialem Gehabe". Diepgen hat schon vier Staatssekretäre. Und nun noch einen fünften?

Alle Protokollchefs seit Ende der siebziger Jahre waren Berufsdiplomaten vom Auswärtigen Amt, die Regierenden Bürgermeister sind gut mit ihnen gefahren. Ob Diepgen nun bei Joschka Fischer anklopft oder sich diesmal für eine "Hauslösung" entscheidet, will keiner prognostizieren. Bekannt ist nur, dass der leitende Senatsrat Dieter Senoner, Abteilungsleiter Protokoll in der Senatskanzlei, überglücklich wäre, die Bredow-Nachfolge anzutreten. Senoner hat das SPD-Parteibuch, spielt aber in der Partei keine Rolle; die SPD favorisiert ihn auch nicht. Befördert werde Senoner im Frühsommer sowieso, heißt es in Diepgens Umgebung. Dann geht Senatsdirigent Peter Füßlein in Pension; Senoner soll diesen Titel erben - nur eine Stufe unter dem Staatssekretär.

Der Regierende Bürgermeister und CDU-Chef ist ein viel beschäftigter Mann. Überdies ist er bekannt dafür, dass er seine Ziele notfalls auf Umwegen erreichen will. So zieht sich die Bredow-Nachfolge eben hin. Maßstäbe hat Bredow gesetzt, der Diplomat alter Schule und politische Generalist, der viel mehr ist als ein Zeremonienmeister. Er gilt als der glänzendste Protokollchef, den Berlin je hatte. Diepgens Vorgänger Richard von Weizsäcker guckte ihn 1983 im Auswärtigen Amt aus. Damals war der gebürtige Potsdamer aus uraltem märkischen Adel, ein Urenkel Bismarcks, stellvertretender Protokollchef der Bundesregierung und hatte etliche Auslandsstationen hinter sich, so in Madrid, New York, Tel Aviv und Rom. 1988 endete die erste Berliner Amtszeit Bredows. Er wurde Generalkonsul in New York, drei Jahre später Botschafter in Athen, schließlich Botschafter in Bukarest.

Als er Ende Januar 1998 mit 65 in Pension gehen musste, fühlte er sich noch zu jung. Die Bredows zog es zurück nach Berlin. Sie kauften eine Wohnung nahe am Lietzensee, und im März stand er wieder in Diepgens Diensten. Diesmal wurde er obendrein der preiswerteste Protokollchef denn je - für ein Honorar in Höhe der Differenz zwischen der Pension und dem Botschaftersalär.

Er kennt sie, die gekrönten und präsidialen Stadtoberhäupter von Amerika bis Zimbabwe. Stapelweise bewahrt er Erinnerungsgeschenke auf. Mindestens ihre Fotos samt Widmung haben sie ihm verehrt. Auch größere Präsente hat er gern behalten und dafür den amtlichen Schätzwert an den Stadtsäckel gezahlt, so für einen Brieföffner aus schwerem Silber von Königin Elizabeth.

Das Amt ist anstrengend. Selbstdisziplin ist alles. Aber Spaß hat er doch noch daran. Immer ist er bei Empfängen auf diese unnachahmliche Art der liebenswürdige Plauderer und zugleich sichtbar-unsichtbar der Protokollchef, der jede Sekunde darauf achtet, dass alles klappt. In jeder Hinsicht hält er Linie. Auch die vielen offiziellen Essen haben ihren Preis: "Zum Frühstück esse ich nur Obst, Joghurt, einen Löffel Honig, und, ganz wichtig, drei bis vier Nüsse."

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