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Körperwelten: PRO & Contra

PRO:In was für einer Welt leben wir? Jugendliche können in Elektronikmärkten nach wie vor das brutale Tötungsspiel „Counterstrike“ kaufen und im Kino folgt in Action-Filmen ein drastisches Killergemetzel dem nächsten.

PRO:

In was für einer Welt leben wir? Jugendliche können in Elektronikmärkten nach wie vor das brutale Tötungsspiel „Counterstrike“ kaufen und im Kino folgt in Action-Filmen ein drastisches Killergemetzel dem nächsten. Im realen Leben aber ist das Sterben, ist der Tod ein Tabu. Das ist der gesellschaftliche Zwiespalt, in dem sich der durchaus mit Provokationen arbeitende „Dr. Tod“ Gunther von Hagens befindet. Es spricht aber mehr dafür als dagegen, seiner künstlerischen Leichenschau einen Ausstellungsraum in Berlin zu widmen. Seine plastinierten Toten gaben ihr Einverständnis zur demonstrativen Zurschaustellung.

Klar, die Körperwelten-Präparate kitzeln den Besucher als Todes-Showroom in gewisser Weise. Man verlässt die Schau aber zugleich voll Ehrfurcht für das Wunderwerk menschlicher Körper. Weil man Einblicke in das eigene Dasein erhält, die anders gar nicht möglich wären. Kein Wunder, dass unter den über eine Million Besuchern 2004 auch viele Mediziner waren. Auch in den USA gelten die Körperwelten als Riesenerfolg. Berlin als tolerante Stadt sollte den Plastinaten Platz geben. Dafür sollte von Hagens auf die ein oder andere zu verkaufsträchtige Pose seiner Toten verzichten. Und wer das alles nicht sehen will, geht eben nicht hin. Annette Kögel

CONTRA:

Wieder kommt der „Plastinator“ nach Berlin. Und wieder gaukelt Gunther von Hagens mit seinen Leichen die „Faszination des Echten“ vor. Der Saxophon-Spieler, das Titanic-Paar sind pseudopädagogische, skurril aufgemachte Plastik-Leichen. Dieses absurde Kabinett passt zum Anspruch von Hagens, der sich als Künstler sieht. Es ist die Kunst, aus menschlichen Leibern anonyme Endprodukte herzustellen, die sich scheibchenweise an Eintritt zahlende Voyeure verkaufen lassen. Wer wirklich Interesse am Aufbau des Körpers hat, kann sich detailgetreue Anatomiebücher oder die Ausstellung im Medizinhistorischen Museum der Charité anschauen.

Dort lernt der Besucher auch etwas über den respektvollen Umgang mit Menschen, die ihren Körper der Wissenschaft vermacht haben. In seriösen Ausstellungen gibt es auch kein ungutes Gefühl wegen eines möglichen Leichenbeschaffungsproblems wie es bei von Hagens immer wieder diskutiert wird. Von Hagens’ „Körperwelten“ bleiben eine bewusst zur Schau gestellte Störung der Totenruhe. Die Totenwürde ist eine Fortführung der Menschenwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes. Der Staat ist verpflichtet, diese Menschenwürde über den Tod hinaus zu schützen – und solche makabren Shows zu verbieten. Sabine Beikler

Annette Kögel

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