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Berlin: „Kollektiver Gedächtnisverlust“

Bankenaffäre: Auch die früheren Staatssekretäre können sich im Untersuchungsausschuss an nichts erinnern

Von Sabine Beikler

Am liebsten würde der stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Bankenaffäre Nikolas Zimmer den Zeugen vor den Anhörungen Gingko-Tabletten „zur besseren Durchblutung des Gehirns“ verabreichen. Der CDU-Abgeordnete diagnostizierte am Freitag nach der letzten Ausschuss-Sitzung in diesem Jahr einen „kollektiven Gedächtnisverlust“ bei den meisten Zeugen. Auch Theodor Strauch, unter CDU-Finanzsenator Elmar Pieroth während der Gründungsphase der Bankgesellschaft Staatssekretär, litt gestern bei der Anhörung an großen Erinnerungslücken. Sein früherer Amtskollege Werner Heubaum hatte zwar ein besseres Erinnerungsvermögen. Doch beschäftigte er sich als Staatssekretär nur mit dem Landeshaushalt und nicht mit der Bankgesellschaft.

Theodor Strauch dagegen war von 1991 bis 1994 als Finanz-Staatssekretär für die Beteiligungsverwaltung und damit auch für die Wahrung der Landesinteressen bei der Gründung der Bankgesellschaft verantwortlich. Er konnte sich aber nicht an Schreiben des Landesrechnungshofes erinnern, in denen auf die Risiken der Konstruktion der Bankgesellschaft aufmerksam gemacht wurde. „Ich kann nicht bestätigen, dass ich das Schreiben gesehen habe.“ Er konnte sich auch nicht daran erinnern, welche Verträge er unterzeichnet hat. „Im Einzelnen weiß ich das nicht, aber ich habe sie sicher nach der mir möglichen Einsicht geprüft.“ Ob er Gutachten über die Bankgesellschaftskonstruktion gelesen habe. „Ich habe mir keine komplexe Begutachtung zugetraut.“

Der Ausschuss bleibt hartnäckig. Nochmal: Wusste er von einem Bericht des Rechnungshofes, von einem Gutachten? Wie der Verwaltungsweg bei solchen Schreiben gelaufen sei? „Routinevorgänge kamen nicht an die politische Leitung heran. Aber dass das Gutachten so eingeschätzt worden wäre, würde mich überraschen.“ Nikolas Zimmer platzt irgendwann der Kragen. „Herr Strauch, was war eigentlich in Ihrer Amtszeit das größte politische Unterfangen, das Sie begleitet haben?“ Theodor Strauch wurde kurz nach seiner Entlassung Geschäftsführer einer Beratungsgesellschaft – einer früheren Tochter der Bankgesellschaft.

Mit der gestrigen Sitzung schloss der Ausschuss die Gründungsphase der Bankgesellschaft ab. Das Fazit formuliert der Ausschussvorsitzende Frank Zimmermann (SPD) vorsichtig: „In der Wirtschafts- und Finanzverwaltung wurden Risiken und Rechtsfragen nicht behandelt.“ Zimmermann spricht von „Frühstücksdirektoren“, die die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht gesehen haben.

Im nächsten Jahr will der Ausschuss noch einmal Jochen Sanio, den Präsidenten der Bundes-Finanzdienstleistungsaufsicht, laden. Sanio erhielt gestern keine Aussagegenehmigung, obwohl er schon mehrfach angehört woren war. Die Begründung: Ein Landesuntersuchungsausschuss hat nicht die Kompetenz, sich mit einer Bundesbehörde auseinander zu setzen. Der Ausschuss wollte von ihm wissen, welche Kontroll-Vorgaben gemacht wurden, und wann ihm das Konstrukt der Bankgesellschaft bekannt geworden ist. Sanio war während der Gründungsphase Referatsleiter im früheren Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen – und soll damals enge Kontakte zur Berliner Wirtschaftsverwaltung gehabt haben, die bei der Gründung des Geldhauses federführend war.

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