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Korruption: Schnell in Versuchung

Die Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung und Transparency International sehen gelockerte Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge mit Sorge. Auch werden Nachteile für den Mittelstand befürchtet.

Die Lockerung der Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge in Berlin könnte eine neue Welle von Korruptionsfällen zur Folge haben. Dies sagte das Vorstandsmitglied von Transparency International Gabriele Klug dem Tagesspiegel. Auch der oberste Korruptionsbekämpfer des Landes Berlin hält die Lockerung der Vergaben nur vorübergehend für vertretbar. Hans Jürgen Fätkinhäuer zufolge sollten die Verwaltungen in dieser Zeit außerdem durch Stichproben einzelne Entscheidungen prüfen. Der Bauindustrieverband begrüßte die Novelle.

Eine „gefährliche Maßnahme“ nannte das Vorstandsmitglied bei Transparency International die Lockerung der Vergabekriterien. Gabriele Klug befürchtet, dass die Korruption wieder zunimmt. Und kleine Zirkel „könnten sich wieder berufen fühlen, auf Vergabeentscheidungen Einfluss zu nehmen“, sagte sie. Gerade in einer Krise seien Transparenz und geordnete Vergabeverfahren wichtig, damit die Konjunkturprogramme Wirkung entfalten und das Geld der öffentlichen Hand wirtschaftlich ausgegeben wird.

„Sicherlich besteht kein Automatismus zwischen freihändigen Vergaben und Korruption“, sagte Klug. Transparency International kämpfe aber seit Jahren dafür, „öffentliche Aufträge im Rahmen transparenter und öffentlicher Verfahren zu vergeben“. Denn dadurch würde Vetternwirtschaft und strafrechtlich relevanten Handlungen bei der Erteilung von Aufträgen „der Nährboden entzogen“. Nach Überzeugung des Transparency-Vorstands gibt es eine Alternative zur Lockerung der Vergaberichtlinien: eine vorübergehende Verstärkung des Personals der für Vergaben zuständigen Verwaltungen. Auf diese Weise könne man die Verfahren beschleunigen, ohne das Risiko einzugehen, dass wieder „in kleinen Kreisen gekungelt wird“, so Klug. Sie befürchtet außerdem, dass mittelständische Firmen durch die Lockerung der Bestimmung benachteiligt werden. Der Mittelstand hatte in Berlin zuletzt stark von öffentlichen Ausschreibungen profitiert, weil diese häufig in kleine Lose aufgeteilt wurden.

Der Leitende Oberstaatsanwalt und Chef der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung des Landes, Hans Jürgen Fätkinhäuer, sagte: „Eine solche Lockerung des Vergaberechts ist sicher nur temporär zu vertreten und durch eine erhöhte Transparenz und Kontrolle auszugleichen.“ Er sprach sich dafür aus, dass über die Vergabe der Aufträge „Gremien“ und nicht Einzelpersonen entscheiden.

Das „Mehraugenprinzip“ erschwere es externen Firmen, Einfluss zu nehmen, da nicht nur eine Person, sondern gleich mehrere willfährig gemacht werden müssten. Der oberste Korruptionsbekämpfer des Landes machte außerdem folgenden Vorschlag: Schon heute könnte die nachträgliche Überprüfung einzelner Entscheidungen durch die in den Senats- und Bezirksverwaltungen angesiedelten Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung angekündigt werden. Dies habe starke „psychologische Wirkung“ auf korruptionsgefährdete Kreise. „Das könnte den Eindruck zerstreuen, dass die Deichkrone gebrochen ist und sich niemand mehr an den fairen Wettbewerb hält“, so Fätkinhäuer.

Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, sagte: „Um der Korruption vorzubeugen, muss eine vollständige Dokumentation der Vergabeentscheidung für Transparenz sorgen.“ Dadurch könnten Wettbewerber und Öffentlichkeit im Nachhinein überprüfen, welche Kriterien den Ausschlag bei der Auswahl des Auftragnehmers gaben. Ralf Schönball

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