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Berlin: Kräftiger Regen wäre der Polizei am liebsten

Fünfzehn Jahre 1. Mai in Berlin heißt auch: Fünfzehn Jahre schönes Wetter.

Fünfzehn Jahre 1. Mai in Berlin heißt auch: Fünfzehn Jahre schönes Wetter. So war es 1987, bei der Mutter aller Mai-Randalen, so war es im vergangenen Jahr, als Kreuzberg wieder den Krawall bis zum Exzess inszenierte. 20 Grad maßen die Meteorologen vor 15 Jahren auf dem Lausitzplatz, offensichtlich die richtige Keimtemperatur für Chaoten. Innerhalb von Stunden verwandelten Autonome Teile von Kreuzberg 36 in ein Scherbenmeer, dazwischen loderte der Bolle-Markt an der Ecke Manteuffelstraße. Im vergangenen Jahr flogen bei sommerlichen 26 Grad nach Polizeischätzung 50 000 Pflastersteine – so viel wie nie in Berlin. Die Lage eskalierte, wieder einmal, die Scharmützel dauerten Stunden.

Und in diesem Jahr? Soll es wieder schön werden: „Einen kleinen Hauch von Sommer“ verspricht Meteorologe Thomas Globig von Meteomedia. Über 20 Grad sollen es tagsüber werden, abends könnte es vielleicht einen Schauer geben. Nach dem unfreundlichen Wochenende ist das doch schon was.

Die Polizei denkt anders: „Hoffentlich gibt es Dauerregen“, meinte ein Beamter. Denn der bremst die Lust am Marodieren; in einer streng wissenschaftlichen, polizeiinternen Bilanz der Maikrawalle heißt es zum Beispiel zur Walpurgisnacht des Jahres 2000: „Vermutlich wegen des schlechten Wetters blieb es friedlich.“ Am nächsten Abend, in Kreuzberg, explodiert die Gewalt dann – bei schönem Wetter. Ein Polizist gestand frei heraus: „Wir haben immer den Wettergott angefleht, dass er schlechtes Wetter bringt“ – weitestgehend vergebens. In der Wetterstatistik gibt es nur zwei Jahre, in denen das Wetter ungemütlich war: 1991 und 1994. In diesen Jahren stieg die Quecksilbersäule nur auf 8,5 respektive 9 Grad – und die Lust auf Gewalt fror in dichten Wolken und kalten Böen deutlich ein. „Die Krawallmacher sind müde“, titelte der Tagesspiegel nach dem 1. Mai 1994. Richtig geregnet hat es aber auch in diesem Jahr nicht, nur 1991 hatte es tagsüber einige Schauer gegeben. Im Tagesspiegel hieß es damals: „Deutlich geringerer Schaden als in den Vorjahren.“

Gemeint war damit neben dem Startjahr 1987 vor allem der 1. Mai 1989, dieser Abend ging als der aggressivste und gewalttätigste in die Geschichte ein. 335 Polizisten wurden verletzt, einem wurde im Getümmel sogar die Dienstpistole geraubt. Wobei dasselbe Jahr auch zeigt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Krawall und Temperatur nicht gibt. Denn 1989 waren es nur 17 Grad in Berlin; 1993, bei Superwetter, blieb es dagegen ruhig. In sieben der 14 vergangenen Jahre stieg das Themometer über die 20 Grad-Marke, zum Teil deutlich.

Das nennt die Polizei dann „Baller-Bier-Wetter“ – und fürchtet es. Denn bei Hitze steigt die Lust auf ein kühles Bierchen, und spätestens das zehnte Bierchen senkt die Hemmschwelle deutlich; so war es auch 1987. Auf dem Lausitzplatz wurde feuchtfröhlich gefeiert, bis am Abend ein Funke zündete.

Auch die andere Seite weiß um den Zusammenhang Hitze und Bier – und mahnt deshalb: „Kein Alk, keine Drogen“. Der Hintergrund ist allerdings ein anderer: Wer betrunken oder bekifft ist, lässt sich leichter erwischen. Jörn Hasselmann

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