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Zum an die Decke gehen. Wer die Schneeschicht auf dem Gehweg noch nicht abgetragen hat, sollte es dieses Wochenende unbedingt nachholen, rät der Senat. Sonst drohen hartnäckige Eisschichten.

© Kai-Uwe Heinrich

Kraftprobe im Schnee: Wie der Winter Berlin im Griff hält

Wer muss streuen? Wo kann man sich beschweren? Wer ist verantwortlich? Und was machen die Radler? Die wichtigsten Antworten.

Dichter Schneefall, Eisglätte, plötzliches Tauwetter und dann ein erneuter Flockenwirbel: Der Winter hat Berlin im Griff. Viele Berliner schlittern und schimpfen – besonders über schlecht geräumte Gehwege. Am Freitag forderte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Hauseigentümer auf, „mehr Bürgersinn“ zu zeigen. Zur Not müssten sie selbst zur Schippe greifen.

Warum sich Räumen jetzt lohnt. Für dieses Wochenende sagen Meteorologen Tauwetter voraus – erst Sonntagabend droht neuer Frost. Deshalb ruft der Senat dazu auf, die kommenden zwei Tage zu nutzen, um festgetretenen Schnee von den Gehwegen zu beseitigen. So soll verhindert werden, dass sich wie im Vorwinter mehrere Eisplatten übereinander bilden.



Erste Bilanz
. In Mitte zieht Ordnungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) eine miserable Bilanz. „Der Zustand der Geh- und Radwege ist einer Großstadt unwürdig“, rügte er gestern. Viele Hauseigentümer kämen ihrer Räumpflicht nur schlecht oder gar nicht nach. In Steglitz-Zehlendorf ist Stadträtin Barbara Loth (SPD) dagegen recht zufrieden. Die meisten Hausbesitzer seien „aktiver und verantwortungsbewusster als in der Wintersaison 2009/10“. Ähnlich sieht man es im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. „Es wird mehr getan“, sagt Stadtrat Marc Schulte (SPD). „Die Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße war noch in keinem Winter so gut begehbar wie jetzt.“

Die Situation auf den Gehwegen ist also höchst unterschiedlich. Besser geräumt wird offenbar in Gegenden mit vielen Eigenheimen, in denen man sich kennt und die Hausbesitzer ihren Winterdiensten direkt auf die Fräsen gucken – meist schlecht dagegen in Citystraßen mit Mietshäusern. Aus Sicht von Carsten Spallek in Mitte wirkt sich dort „verheerend“ aus, dass nach dem neuen Gesetz nicht mehr die Räumdienste, sondern die Hauseigentümer haften. „Die Firmen sind entlastet, die Vermietungsgesellschaften oft weit weg, da kann man eher mal schlampen“, sagt der Stadtrat. Selbst vor vielen bezirks- und landeseigenen Gebäuden sei schlecht geräumt, „weil die beauftragten Dienste überlastet sind“.

Wie die Ordnungsämter kontrollieren. Die meisten Bezirke haben derzeit 20 bis 40 Außendienstler zur Kontrolle von Bürgersteigen im Einsatz. Missfällt ihnen ein Gehweg, kreuzen sie auf einem Formular Kritikpunkte an: Glätte, kein Streugut.. Dann klingeln sie und fordern den Hausbesitzer auf, sofort besser zu räumen. Ist er nicht zu Hause oder nur anderswo erreichbar, wird die Aufforderung zugestellt. In jedem Fall gibt es eine Anzeige. Die meisten Bezirke haben seit dem Wintereinbruch schon bis zu 200 Anzeigen geschrieben. „Für eine effektive Kontrolle reicht unser Personal aber bei weitem nicht aus“, heißt es fast überall.

Angedrohte Strafen. Auf den ersten Blick sind die Bußgelder beträchtlich. Bis zu 10 000 Euro sieht das Gesetz vor. Tatsächlich werden die Forderungen aber zwischen 50 und einigen hundert Euro liegen, je nach Schwere des Falls. Die Gefährdung spielt eine Rolle und „ob es sich um Wiederholungstäter handelt“, so ein Ordnungsamtschef. Ohnehin ist das Verfahren komplizierter als die Knöllchenvergabe bei Parksündern. Eine ausführliche Anhörung ist in jedem Falle erforderlich.

Was Grundstücksbesitzer tun müssen. Nach dem überarbeiteten Straßenreinigungsgesetz sind sie nun stärker in der Verantwortung – sie können ihre Haftung nicht mehr auf eine Winterdienstfirma übertragen. Auf Gehwegen müssen sie eine Schneise von einem Meter Breite schneefrei halten. Eis muss weggehackt werden, ansonsten reicht Schippen und Streuen. Salzeinsatz ist weiter verboten. Auch Zugänge zu Liften , Briefkästen und Parkautomaten sind freizuhalten. Achtung: Wenn es nachts schneit, muss der Gehweg bis 7 Uhr früh geräumt sein, an Sonntagen reicht 9 Uhr. Eine Übersicht über die neuen Regeln findet man unter www.berlin.de/ordnungsamt/aktuelles.

Wo man glatte Gehwege melden kann. Wer sich über schlecht geräumte Abschnitte ärgert, kann sich an das Ordnungsamt seines Bezirks wenden. Am Freitag hat Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sogar explizit dazu aufgerufen. Man muss bloß die beanstandete Adresse angeben sowie seine Rückrufnummer.

Schneeberge am Wegrand. Dieses Problem kennen derzeit viele, die eine Straße überqueren oder in ihr geparktes Auto steigen wollen: Auf den Gehwegen türmen sich am Rand zur Straße hin inzwischen Schneeberge. Dies ist meist legal, im Straßenreinigungsgesetz werden Grundstücksbesitzer sogar ausdrücklich dazu aufgefordert, Schnee und Eis „grundsätzlich auf dem Gehweg am Fahrbahnrand“ anzuhäufen. Allerdings müssen Einfahrten, Behindertenparkplätze und sämtliche Radstreifen ausgespart werden. Neben Fußgängerüberwegen und an Kreuzungen darf der Schnee nicht die Sicht behindern. Wer dagegen verstößt, kann angezeigt werden.

Räumpflicht an Bus-Haltestellen. Anders als früher sind nicht mehr die Besitzer der angrenzenden Grundstücke dafür verantwortlich, Bus-und Tram-Stops schnee- und eisfrei zu halten. Das übernimmt jetzt die BSR – zunächst mit durchwachsenem Erfolg, weil beauftragte Drittfirmen nicht alle Haltestellen von den Schneemengen befreien konnten. Am Donnerstag führte die BSR mit diesen Firmen Gespräche und teilte mit, an welchen Orten „Nachholbedarf“ bestehe. Die Missstände sollten im Laufe des Freitags beseitigt werden. Immerhin sind die Haltestellen schon deutlich besser zugänglich als im Vorjahr, heißt es aus dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf.

Die Situation auf den Straßen. Betrachtet man die Unfallbilanz der Polizei, so läuft es auf den Straßen erstaunlich gut. „Kaum ein Anstieg. Die Zahlen sind völlig normal wie zu anderen Jahreszeiten“, hieß es am Freitag. Auch Taxiunternehmen und Kurierdienste sind meist zufrieden. „Die BSR hat die Hauptstraßen im Griff“, lobt ein Sprecher der Firma „Taxiwelt“. Der ADAC sieht es etwas differenzierter. Sein Sprecher Jörg Becker findet, „dass die BSR bei den ersten großen Schneefällen zu spät in die Gänge kam“. Sie müsse schneller ausrücken. Inzwischen habe das Unternehmen aber alles aufgeholt. Ein Problem sind allerdings die vielen Nebenstraßen, wo man manchmal mit dem Wagen kaum mehr vorwärts kommt. Denn anfangs konzentriert die Stadtreinigung alle Kräfte auf die Hauptverkehrsadern. Laut BSR-Sprecher Bernd Müller ist man dort aber jetzt „so weit erfolgreich, dass nun auch alle anderen Straßen drankommen.“ Sprich: Die Offensive in den Nebenstraßen hat begonnen.

Wo es jetzt noch Winterreifen gibt. Die Wartezeiten bei Personenwagen der Mittelklasse betragen nach Auskunft großer Reifenhändler derzeit drei bis vier Tage. Für Kleinwagen seien dagegen kaum mehr Winterreifen lieferbar, heißt es. Und ebenso schlecht sehe es bei Lkws und Kleintransportern aus. Hier muss man sich sechs- bis acht Wochen gedulden, bis die Reifen an die Felgen kommen. Manche Großhändler versuchen daraus Profit zu schlagen: Sie verdoppeln oder verdreifachen die Preise.

Worauf Radfahrer achten sollten. Wenn Radwege nicht gestreut oder geräumt sind, entfällt für Radfahrer die Benutzungspflicht – sie können dann auf die Straße ausweichen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) rät Autofahrern, Radler nur mit mindestens anderthalb Metern Abstand zu überholen. Auch die Radler müssen deutlich vorsichtiger fahren: In Kurven soll weder getreten noch gebremst werden. Auf Glatteis sollte man möglichst nicht einmal lenken, sondern ohne zu bremsen ausrollen.

Was den Müllmännern hilft. Noch klagt die BSR nicht über versperrte Eingänge, aber sicher ist: Wenn noch mehr Schnee fällt, drohen Verzögerungen bei der Müllabfuhr, wenn die Zugänge zu den Tonnen nicht schnee- und eisfrei gehalten werden. Auch am Gehwegrand zur Straße sind unbedingt Schneisen freizuhalten.

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