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Berlin: Krankenhäuser: "Die kommen, sobald der Hausarzt schließt".

In der Notaufnahme herrscht entspannte Ruhe. Nichts ist an diesem Sommernachmittag zu spüren vom hektischen Treiben der Lebensretter in Weiß, nichts zu sehen von den 50 bis 100 Patienten, die täglich durch die Rettungsstelle des Auguste-Viktoria-Krankenhauses (AVK) in Schöneberg geschleust werden.

In der Notaufnahme herrscht entspannte Ruhe. Nichts ist an diesem Sommernachmittag zu spüren vom hektischen Treiben der Lebensretter in Weiß, nichts zu sehen von den 50 bis 100 Patienten, die täglich durch die Rettungsstelle des Auguste-Viktoria-Krankenhauses (AVK) in Schöneberg geschleust werden. "Die kommen noch, sobald die Hausarztpraxen schließen", sagt ein Pfleger. Und stützt damit das Argument von Vivantes, mit der die Krankenhausgesellschaft die geplante Schließung einiger Rettungsstellen begründet: 80 Prozent der Patienten missbräuchten die Notaufnahmen als Ersatzhausarzt, der 24 Stunden am Tag in Bereitschaft ist. Auch die Rettungsstelle des AVK steht auf der Schließungsliste.

Zwanzig strahlend weiß bezogene Liegen warten im Flur auf die Schwerkranken, die nicht mehr aus eigener Kraft laufen können und mit Rettungswagen eingeliefert werden. Unfallopfer, Schlaganfälle oder schwere Asthmaanfälle - hier geht es um Sekunden und manchmal auch um Leben und Tod.

Für diejenigen, die sich noch auf den eigenen Beinen in die Notaufnahme begeben können, gibt es einen zweiten Eingang. Er führt in einen hellen Lichthof unter einem Glasdach, sogar einige kleine Bäume sind hier gepflanzt. Zig Plastiksitze zwischen den Bäumchen beweisen, dass man mit einem großen Andrang an Laufkundschaft rechnet: "Dreiviertel der Erste-Hilfe-Patienten können ambulant behandelt werden", sagt der stellvertretende Verwaltungschef des AVK, Dieter Gronak. Bauchschmerzen, Schnittwunden am Finger oder eine Schnupfenattacke - die Ärzte der AVK-Rettungsstelle müssen sich mit vielen harmlosen Problemen befassen und in einer aufwändigen Diagnose klären, ob die Kranken nicht vielleicht doch "krankenhausbehandlungsbedürftig" sind. Das kostet Geld, viel Geld. "Das ist für uns ein Zuschussgeschäft", ärgert sich Gronak. Die Rettungsstellen müssen 24 Stunden lang Personal in Bereitschaft halten. Trotzdem bekommen sie von den Krankenkassen nur die normalen Patientenhonorare für ambulante Behandlungen. Nur bei den stationären Behandlungen kommt das Krankenhaus auf seine Kosten.

Jeder Patient wird untersucht, kann hinter scheinbar harmlosen Beschwerden doch eine ernsthafte Erkrankung stecken. Eine Patientin klagt über "allgemeines Unwohlsein". Das klingt nach einem Fall für den Hausarzt. Nach der Untersuchung stellt sich aber heraus, dass die Frau an Unterzuckerung litt. "So was kann lebensgefährlich werden", sagt Stationsarzt Ralf Jakob.

Fünf Ärzte tun in der Rettungsstelle täglich in Schichten ihren Dienst, weitere Fachärzte können blitzschnell hinzugezogen werden. Zwei Behandlungsräume und ein Mini-OP stehen zur Verfügung. Die Intensivstation ist fünfzehn Sekunden entfernt - eine Ausstattung, die keine Hausarztpraxis zu bieten hat. Wohl auch deshalb kommen viele hierher, das ist eine Vertrauensfrage. "Die Rettungsstelle ist viel besser auf Eventualitäten vorbereitet, die Ärzte hier sind kompetenter als mancher Hausarzt", begründet eine Patientin, warum sie mit ihren Herzbeschwerden gleich ins AVK kam.

Arbeit wird es also weiterhin genug geben für die Rettungsstellen. Doch weil es am Geld mangelt, trägt auch das AVK die Schließungspläne mit. "Die Kassenärztliche Vereinigung muss ihrer Verantwortung nachkommen und ihren eigenen Notdienst ausbauen", sagt Dieter Gronak. Das Pflegepersonal auf der Rettungsstelle dagegen hat Angst um seine Arbeitsplätze, obwohl Vivantes bis 2005 keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen will. Miese Stimmung herrscht unter den Mitarbeitern, eine fast fatalistische Schicksalergebenheit. "Was können wir denn ändern?", fragt ein Pfleger ratlos. "Wir dürfen doch sowieso nur runterschlucken."

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