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Berlin: Krenz kämpft für seine Freiheit – und jobbt am Flughafen Letzter DDR-Staats- und Parteichef beantragt vorzeitige Haftentlassung

Für genau 36 Minuten verschwand der Mann im grauen Wintermantel im Saal 154 des Moabiter Kriminalgerichts. Ein kleiner Raum, in dem es für den letzten DDR-Staats- und Parteichef gestern um Großes ging.

Für genau 36 Minuten verschwand der Mann im grauen Wintermantel im Saal 154 des Moabiter Kriminalgerichts. Ein kleiner Raum, in dem es für den letzten DDR-Staats- und Parteichef gestern um Großes ging. Der seit mehr als drei Jahren inhaftierte Egon Krenz beantragte seine vorzeitige Haftentlassung. Wenn er die Hälfte der Strafe verbüßt hat, soll der Rest zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Entscheidung wird voraussichtlich kommende Woche verkündet. Sollte der Richter dem Antrag folgen, könnte Krenz bald ein freier Mann sein. Am 24. März ist für den prominenten Häftling Halbzeit.

Der heute 65-jährige Krenz verbüßt seit dem 13. Januar 2000 eine Strafe von sechs Jahren und sechs Monaten Haft wegen der Todesschüsse an der Mauer. Als Freigänger. Wochentags darf er die Justizvollzugsanstalt Plötzensee für zwölf Stunden verlassen, weil er für eine Fluggesellschaft tätig ist. Angeblich für das Osteuropageschäft. Da helfen ihm seine Russischkenntnisse. Hin und wieder fährt er an die Ostsee in seine Datsche. Denn zu den Vollzugslockerungen für einen Freigänger gehören 21 Tage Urlaub im Jahr.

Hinter verschlossenen Türen wurde Krenz nun angehört. Nach dem Termin gab er sich schweigsam. Sein Anwalt Robert Unger sagte lediglich, der Ausgang sei „völlig offen“. Die Staatsanwaltschaft hält angesichts des an der Mauer verletzten hohen Rechtsguts eine Strafaussetzung für nicht gerechtfertigt. Krenz hat jahrelang erfolglos gegen seine Bestrafung gekämpft und immer wieder behauptet, er sei von der bundesdeutschen Justiz ungerecht behandelt worden. Nun setzt er seine Hoffnungen unter anderem ausgerechnet auf Passagen aus dem von ihm angefochtenen Urteil des Berliner Landgerichts. 1997 war Krenz des vierfachen Totschlags an DDR-Flüchtlingen schuldig gesprochen worden. Allerdings wurde ihm zugute gehalten, dass er zum unblutigen Verlauf der Wende beigetragen habe – für Unger einer der Punkte, die eine Entlassung begründen könnten.

Kerstin Gehrke

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