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Kreuzberg: Streit um Fixerstube spitzt sich zu

Anwohner wollen den Umzug des Drogenkonsumraums in die Reichenberger Straße verhindern. Am Donnerstag stellt sich Bezirksbürgermeister Schulz der Kritik.

Der seit einem Jahr schwelende Konflikt um die rege Drogenszene in Kreuzberg hat sich nicht nur um ein paar Straßenzüge verlagert – auch die Akteure sind andere: Betraf die Lösung des Problems zunächst überwiegend Einwanderer rund ums Kottbusser Tor, verärgert die neueste Entscheidung der Bezirksverwaltung grüne Stammklientel. Der „Drogenkonsumraum“ in der Dresdener Straße soll schon bald in die Reichenberger Straße 131 ziehen – ein Vorhaben, das vor allem junge Eltern im Kiez besorgt.

Prompt hat sich eine neue Bürgerinitiative in der Grünen-Hochburg gegründet und protestiert vehement gegen das Näherrücken der Drogenszene vom „Kotti“. Am heutigen Donnerstag wollen ihre Mitglieder Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) bei einer Diskussionsveranstaltung der Niederlausitz-Grundschule zur Rede stellen. Vor allem ärgert die Anwohner, dass sie keine Möglichkeit zur Mitsprache hatten: „Der Bezirk hat unter Ausschluss der Öffentlichkeit schnellstmöglich Tatsachen geschaffen“, schreibt die Initiative in einem offenen Brief. Und auffällig findet sie, dass der Bezirksbürgermeister „drei Tage nach der Bundestagswahl“ über den neuen Standort des Drogenkonsumraums informierte. Da hatte der grüne Direktkandidat Christian Ströbele bereits das bundesweit beste Stimmergebnis für einen Direktkandidaten eingeholt.

„Wir fühlen uns übers Ohr gehauen“, sagt Thomas Hartwig von der Initiative, der sich als enttäuschter Grünen-Wähler zu erkennen gibt. Hartwigs Sorge: Der Stadtteil könnte „kippen“, etwa indem die wenigen Bildungsbürger ihre Kinder von den drei Grundschulen und 15 Kitas nehmen, die sich im Umfeld der geplanten Drogenhilfeeinrichtung befinden. „Man hätte uns vorher informieren müssen“, sagt auch seine Mitstreiterin Katja Schlesinger, schließlich sei das Thema „sehr sensibel“.

Bekannt ist der Konflikt seit 2008, als am Kottbusser Tor ein Parkhaus geschlossen wurde und Dealer wie Junkies immer öfter in umliegende Häuser und Straßenecken auswichen. Die Stimmung am Kottbusser Tor ist seither angespannt, der Bürgermeister erhielt wütende Protestbriefe von Bürgern. Im Sommer kündigte ein Hauseigentümer der Fixpunkt-Einrichtung SKA in der nahe liegenden Dresdener Straße, wo Süchtige vom Kotti sich seit zwölf Jahren unter medizinischer Aufsicht Spritzen setzen.

Eine neue Bleibe für die Fixerstube zu finden, hat seither Priorität. Der Bezirk hat mehrere leerstehende Räume angefragt, immer vergeblich: Kein Kreuzberger Eigentümer will einen Drogenkonsumraum in seinem Haus. Also hat sich die Kreuzberger Verwaltung für ein bezirkseigenes Schulgebäude in der Reichenberger Straße entschieden, das bislang nur zum Teil benutzt wird. Der Bezirk will das Haus an die Aidshilfe-Initiative „Zuhause im Kiez“ (ZiK) verkaufen, die einen Teil der 800 Quadratmeter an den Verein Fixpunkt vermieten soll.

„Das ist so gut wie in trockenen Tüchern“, sagt Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler. Zum Vorwurf, die Anwohner vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben, sagt er: „Wir reden nicht über ungelegte Eier. Sobald wir wussten, dass es klappt, haben wir die Bürger informiert.“ Weiterer strittiger Punkt: Bisher hat die Anlaufstelle von Fixpunkt nur an Wochentagen und nur vier Stunden lang auf – oft stehen Junkies vor verschlossenen Türen. Für den neuen Standort sei ein komplettes „Gesundheits- und Suchthilfezentrum“ geplant, erklärt MildnerSpindler. Wie das Zentrum finanziert werden soll, ist nicht bekannt. Auch wissen die Fixpunkt-Mitarbeiter nichts davon, dass sie mehr Geld von der Stadt für längere Öffnungszeiten erhalten sollen.

Der Bundestagsabgeordnete Ströbele kennt den Streit in seinem Wahlkreis nur zu gut. Er setzt sich seit Jahren für ein erweitertes Angebot im Drogenkonsumraum in der Nähe vom Kotti ein, „weil die Leute das brauchen“. Zur heutigen Diskussionsrunde will er deshalb kommen.

Ferda Ataman

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