zum Hauptinhalt
hafenplatz

© Mike Wolff

Kreuzberger Schülerin: ''Mit Deutschen keinen Kontakt''

Vier von zehn Jugendlichen in Berlin kommen schon aus Migranten-Familien. Ein Besuch in der Kreuzberger Stresemannstraße - dem Kiez mit Berlins höchstem Migranten-Anteil.

„Für die Deutschen sind wir einfach nur Ausländer, die hier nichts zu suchen haben“, erzählt die 16-jährige Salma. Gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen sitzt die 16-jährige Iranerin bei strahlendem Sonnenschein im Mendelssohn-Bartholdy-Park. Seit acht Jahren wohnt die Realschülerin, die wie ihre Klassenkameradinnen ein Kopftuch trägt, im Kiez rund um den Askanischen Platz.

Hier, zwischen Wilhelmstraße, Halleschem Ufer und Schöneberger Straße gibt es den prozentual höchsten Anteil an Zuwanderern. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes Berlin-Brandenburg haben 68,1 Prozent der hier lebenden Menschen einen Migrationshintergrund. Zum Vergleich: In ganz Berlin beträgt der Anteil an Migranten 25,7 Prozent.

„Mit Deutschen habe ich keinen Kontakt“, erzählt Salma. In ihrer Schule gebe es kaum deutsche Schüler, und von jenen, denen sie auf der Straße begegne, spüre sie Ablehnung, erzählt Salma in perfektem Deutsch. Wenn Salma nicht im Park entspannt, trifft sie sich mit ihren Freundinnen bei Burger King. Andere Freizeitangebote? Nein, die gebe es nicht für die hier im Viertel, sagt sie kopfschüttelnd.

Ein paar Meter weiter sitzt Johnny Simanowski in seinem Rollstuhl. „Das Problem sind nicht die Ausländer, sondern dass hier nur Menschen wohnen, die sozial abgestürzt sind“, meint Simanowski. Früher war er Diplom-Ingenieur bei Krupp, sei gerne in die Philharmonie oder in das Theater gegangen. Seit er wegen einer Lungenkrankheit nicht mehr arbeiten kann, lebt auch er von Hartz IV. „In meinem Haus sind 90 Prozent arbeitslos“, die meisten sind Junkies oder Alkoholiker, erzählt er und zeigt auf den heruntergekommenen Plattenbau gegenüber dem Mendelssohn-Bartholdy-Park. Tatsächlich torkeln Mittag um eins schon die ersten Betrunkenen mit Schnapsflaschen durch den Innenhof des tristen Betonklotzes.

Zu den Migranten habe er gute Kontakte, sagte Simonowski. „Die meisten haben doch ähnliche Problem wie wir“. Natürlich würde er am liebsten hier wegziehen, viel Hoffnung habe er allerdings nicht, so Simanowski.

Edyta Ruge, stellvertretende Filialleiterin des Discounter Lidl an der Köthener Straße hat einen ähnlich pessimistischen Blick auf das Stadtviertel. Seit elf Jahren arbeitet die junge Frau in dem Supermarkt. „Wohnen möchte ich hier nicht – zu gefährlich die Gegend“, erzählt sie. Auch sie sieht das Problem weniger im hohen Anteil an Migranten, sondern in den sozialen Verwerfungen. „Nicht selten fliegen Möbel oder andere Gegenstände aus den Fenstern“, so Ruge. Ihre Kollegin nickt. Polizei und Feuerwehr seien hier ständig präsent, berichtet diese.

Ein paar hundert Meter weiter, An der Bushaltestelle Schöneberger Brücke sitzen zwei Jungs mit türkischen Wurzeln. „Nenn mich einfach Joe“, sagt einer von beiden grinsend. Seit zwei Jahren wohne er in der Schöneberger Straße. Auch Joe kennt kennt keinen Deutschen im Kiez?. „Ich bin zwar selber in Deutschland geboren, aber mit den richtigen Deutschen habe ich nichts zu tun“, erzählt der 18-Jährige. Ansonsten sei die „Gegend aber schon o.k.“, sagt Joe. Dann kommt der Bus. Joe und sein Freund wollen heute noch etwas Spaß haben. Sie fahren zum Ku'damm. 

Frank Brunner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false