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Kriminalität: Kinderdealer: Nur Berlin hat Gutachter-Probleme

Berlin scheint bei vermeintlichen Kinderdealern mit seinem Problem allein dazustehen. In Hamburg und Frankfurt können die Behörden Altersbestimmungen bei jungen Verdächtigen sehr schnell durchführen. Innensenator Körting weist Kritik an den Behörden aber zurück.

Die Hamburger Polizei greift für Altersbestimmungen junger Verdächtiger gleich auf mehrere Fachleute am dortigen Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums zurück. In den vergangenen Jahren sei kein Fall bekannt geworden, bei dem sich ein Heranwachsender gegenüber den Behörden dauerhaft als Kind habe ausgeben können, sagte Frank Reschreiter von der Hamburger Innenbehörde. Auch aus dem Polizeipräsidium in Frankfurt am Main heißt es, man habe ständig Experten der örtlichen Universitätsklinik zur Hand, die Altersbestimmungen durchführten – wobei die Justiz inzwischen derartige Gesuche der Polizei gerade bei kleineren Delikten oft ablehne. „Aber die Struktur ist vorhanden“, sagte ein Polizeisprecher.

In Berlin hingegen ist es erst nach Monaten gelungen, einem angeblich 13-jährigen Verdächtigen nachzuweisen, dass er mindestens 21 Jahre alt ist. Für das Gutachten war schließlich ein Brandenburger Experte beauftragt worden. Dabei gibt es in Berlin viele Fachleute, auch an der Charité, von der es hieß, ihr weggezogener Gutachter komme nur einmal im Monat angereist: Die Klinik hat eigenen Angaben zufolge zahlreiche Experten – schon weil mehrere Disziplinen in Frage kommen. „Altersbestimmungen werden etwa von Kinderradiologen und Zahnmedizinern erstellt. Die Charité wird auch künftig gerne derartige Expertise vermitteln“, sagte eine Sprecherin. Aus dem Haus von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) hieß es, dass bundesweit nur wenige Gutachter zur Verfügung stünden, die solche Gutachten erstellten, die vor Gericht zweifelsfrei Bestand hätten.

Deshalb ist offenbar auch in Brandenburg und nicht Berlin nach einem Gutachter gesucht worden. Ein Sprecher der Senatsbildungverwaltung sagte, außerdem sei der Verdächtige in einem Brandenburger Heim untergebracht gewesen. Aus diesem ist dieser allerdings 20 Mal ausgerissen und nach Berlin geflohen. Der vermeintlich 13-Jährige, der in Kreuzberg mehrfach Heroin verkauft haben soll, hatte sich immer als „unbegleitetes Kind“ ohne Papiere ausgegeben und gesagt, im April 1997 in einem Flüchtlingslager im Libanon geboren zu sein. Drogenfahnder hatten ihn auf 18 geschätzt und im März die Altersbestimmung gefordert. Ende Juli gab es einen Gerichtsbeschluss, daraufhin wurde der Verdächtige per Post zur Untersuchung geladen – vergebens. Schließlich wurde er festgenommen und zu dem Brandenburger Gutachter gebracht. Ergebnis: „21 Jahre oder älter.“

Erst im August ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, in der sich beteiligte Behörden absprechen. „Die Zeit zwischen der Festnahme und dem Antrag auf eine Altersbestimmung wird kürzer“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dem Tagesspiegel am Dienstag. Die Kritik an „langsamen Behörden“ wies er zurück. „Auch für ausländische Verdächtige gilt der Rechtsstaat“, sagte Körting. Es sei etwa üblich, Verdächtige per Post vorzuladen. Erst wenn diese ignoriert werde, könne ein Haftbefehl ausgestellt werden. Dem Innensenator zufolge hatte es schon vor Wochen einen erfolgreichen Fall einer Altersbestimmung bei einem anderen Jungen aus dem Nahen Osten gegeben. Der Straftäter hatte gesagt, er sei 12 Jahre alt, die Analyse habe jedoch 21 ergeben. Darüber hinaus liefen nur zwei weitere Verfahren in Berlin.

Polizisten berichteten dem Tagesspiegel, dass es seit Jahren ähnliche Fälle gebe, bei denen sich strafmündige Jugendliche als Kinder ausgäben. Von der Gewerkschaft der Polizei hieß es, seit einem Jahr gebe es ein massives Problem.

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