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Berlin: Kritik am Kinderschutz

Neuköllner Stadtrat beklagt zu hohen Aufwand für Erinnerung an Vorsorgeuntersuchungen

Von Sandra Dassler

Der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) kritisiert das im Dezember 2009 in Kraft getretene Berliner Gesetz zum Schutz und Wohl des Kindes. Es sei in Teilen nicht umsetzbar und verursache einen zu großen Aufwand, sagte er dem Tagesspiegel am Sonnabend. Liecke bemängelt vor allem das „verbindliche Einladewesen“, mit dem Eltern, die eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung mit ihrem Kind versäumt haben, einen Erinnerungsbrief erhalten. Zugleich gehe eine Meldung an die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste (KJGD) der Bezirke.

„Diese Meldungen müssen von unseren Mitarbeitern aufwendig bearbeitet werden – und bei fast allen stellt sich dann heraus, dass sie sich inzwischen erledigt haben“, sagt Liecke: „Viele Eltern lassen sich nämlich mit den Untersuchungen bis zum letzten Tag Zeit.“

Vom 17. Oktober 2010 bis 1. Februar 2011 seien 800 Meldungen über nicht durchgeführte Vorsorgeuntersuchungen beim KJGD Neukölln eingegangen, rechnet Liecke vor. Die daraufhin durchgeführten Hausbesuche oder Anrufe bei Eltern und Ärzten hätten ergeben, dass in 95 Prozent der Fälle die Untersuchungen bereits stattgefunden hätten oder terminiert waren. Nur bei sechs Kindern könne man von tatsächlich nicht durchgeführten Untersuchungen ausgehen.

„Um alles zu erfragen, müssen meine Mitarbeiter andere Aufgaben wie die Ersthausbesuche nach Geburt eines Kindes vernachlässigen“, klagt Liecke. Bereits am 20. März habe er einen entsprechenden Brief an Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) geschrieben, bislang aber keine Antwort erhalten.

Aus der Gesundheitsverwaltung heißt es dazu, man müsse die Erinnerungsbriefe so versenden, dass noch eine Frist bleibe, sonst würden die Krankenkassen die Untersuchungen nicht mehr bezahlen, weil sie medizinisch nicht mehr sinnvoll seien. Auch habe man zusätzliche Stellen in den Bezirken geschaffen. Zudem werde sich einiges im Laufe der Zeit auch noch effektiver einspielen.

„Natürlich kann und wird auch dieses System noch verbessert werden“, sagt auch die SPD-Familienpolitikerin Sandra Scheeres, die das System kürzlich wie berichtet als Erfolgsmodell gelobt hatte. „Aber zunächst einmal ist es ein großer Erfolg, den man nicht gleich wieder kritisieren sollte. Immerhin sind seither weitaus mehr Eltern mit ihren Kindern zu den gesundheitlichen Vorsorgeuntersuchungen gekommen als je zuvor.“ Und nicht nur das. „20 Prozent der Eltern, die aufgrund der versäumten Untersuchungen durch den KJGD kontaktiert werden, hatten einen tatsächlichen Beratungsbedarf“, sagt Oliver Blankenstein, der die zentrale Stelle zur Erfassung der Vorsorgeuntersuchungen an der Charité leitet. „Das muss nicht immer mit der Vorsorge zusammenhängen, aber es hilft den Familien und ihren Kindern und ist deshalb eine wirklich sinnvolle präventive Maßnahme.“ Sandra Dassler

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