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Fassade. Das Kinder- und Jugendheim „Haus Babenberg“ gehört zur Haasenburg GmbH. Kinder, die hier waren, berichten von rigiden Strafen wie Isolation und Fixierung.

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Kritik an Kinderheimen in Brandenburg: „Ich konnte dort nicht mehr leben“

Von Anti-Aggressionsmaßnahmen bei Selbst- und Fremdgefährdung sprechen die Kinderheime. Von Schlägen und Knochenbrüchen hingegen ehemalige Bewohner, die jetzt Vorwürfe gegen die Haasenburg-Heime in Brandenburg erheben.

Als jugendlicher Intensivstraftäter machte Adnan S. 2007 in Berlin Schlagzeilen. 100 Straftaten wie Diebstahl, Raub, Körperverletzung standen in der Akte des damals 13-Jährigen. Weil einfach nichts mehr half, er immer wieder aus Heimen weglief und straffällig wurde, kam er in das „härteste Kinderheim Brandenburgs“, wie es damals hieß. Genau diese Härte steht jetzt in der Kritik. Es ist von Methoden wie in einem DDR-Jugendwerkhof die Rede.

Es geht um Misshandlungsvorwürfe gegen den Betreiber dreier Kinder- und Jugendheime in Brandenburg. Das Bildungsministerium will sogar zwei Todesfälle in den Einrichtungen neu aufrollen, bei denen die Justiz bisher nur von einem tragischen Selbstmord und einem Unfall ausgegangen war. In dieser Woche soll eine vom Ministerium ins Leben gerufene Untersuchungskommission die Vorwürfe gegen den Heimbetreiber prüfen. Bei der Staatsanwaltschaft Cottbus gingen zwei Anzeigen Betroffener ein. Auch bei der vom Ministerium eingerichteten Hotline meldeten sich Betroffene. Der Bildungsausschuss des Landtages kommt diese Woche zu einer Sondersitzung zusammen.

Vorfälle in Haasenburg-Jugendheimen werden erneut untersucht

Konkret geht es um zwei Fälle aus den Jahren 2005 und 2008 im Landkreis Dahme-Spreewald. Im Haasenburg-Jugendheim in Neuendorf soll eine 15 Jahre alte Bewohnerin im Juni 2005 an einer Schranktür erhängt gefunden worden sein. Im Mai 2008 soll im Kinderheim Jessern ein 16-jähriges Mädchen nach einem Sturz aus dem Dachgeschoss gestorben sein. Die Staatsanwaltschaft hatte beide Fälle nach einem Ermittlungsverfahren zu den Akten gelegt. Die Ermittler stellten „keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden oder Pflichtverletzungen durch Erzieher“ fest. Auch das Jugendamt sah kein Fehlverhalten der Mitarbeiter.

Eingangsschild vom Haus Babenberg: Das Kinderheim, das zur Haasenburg GmbH gehört, ist eine der wenigen Einrichtungen, in der Kinder bei Selbst- oder Fremdgefährdung auf Gerichtsbeschluss geschlossen untergebracht werden können.
Eingangsschild vom Haus Babenberg: Das Kinderheim, das zur Haasenburg GmbH gehört, ist eine der wenigen Einrichtungen, in der Kinder bei Selbst- oder Fremdgefährdung auf Gerichtsbeschluss geschlossen untergebracht werden können.

© dpa

Bewohner der Heime in Jessern, Neuendorf und Müncheberg (Märkisch-Oderland) berichteten aber über rigide Strafen wie Gesprächsverbot, Einschlüsse und Fixierungen, bei denen es zu Knochenbrüchen gekommen sein soll. Auch sonst soll äußerster Drill in den Heimen herrschen. Ein heute 23-Jähriger, der in einem der Haasenburg-Heime von 2003 bis 2006 wegen häuslicher Gewalt und psychischer Störungen war, berichtete dem Tagesspiegel: „Vorher war ich nie suizidgefährdet, in der Haasenburg habe ich mehrere Selbstmordversuche unternommen. Ich konnte und wollte dort nicht mehr leben“, sagte Renzo M., der heute Student ist. Er habe unendlichen psychischen Druck in dem Heim erlebt. „Sie zwangen uns, unsere Persönlichkeit auszulöschen. Sie halfen uns aber nicht, eine neue aufzubauen.“

Die Vorwürfe beziehen sich auf den Bereich der geschlossenen Unterbringung und dort ergriffene Anti-Aggressionsmaßnahmen. Bei Selbst- und Fremdgefährdung können Kinder und Jugendliche auf Beschluss eines Gerichts dort eingewiesen werden. Die Haasenburg ist die einzige Einrichtung in Brandenburg, die das anbietet. „Ich war noch ein Kind, als mir drei erwachsene Betreuer ihre Knie in den Rücken und mein Gesicht auf den Boden drückten. Es sind unvorstellbare Schmerzen“, berichtete Renzo M.

Bei Behörden gelten Haasenburg-Kinderheime oft als letzte Lösung

Die Jugendlichen haben oft Schlimmes erlebt: Gewalt in der Familie, sexuellen Missbrauch, Drogen. Bei den Behörden gilt die Haasenburg oft als letzte Lösung, weil bis dahin schon mehrere Einrichtungen an den Kindern und Jugendlichen gescheitert sind. 14 von 16 Bundesländern bringen ihre problematischsten Fälle hier unter. Kritiker sprechen von Abschiebepraxis, weil das Hilfssystem versagt habe. Bis 2010 kamen in der Haasenburg Fixierliegen zum Einsatz, bis das Jugendamt diese – ebenso wie Einheitskleidung und Holzschuhe – verboten hat.

Für die nun kritisieren Zwangsmaßnahmen und Vorfälle gibt es ein Meldesystem an die Jugendbehörde. Allerdings kam es bei früheren Prüfungen des Landesjugendamtes nicht zu erheblichen Beanstandungen. Nun will das Bildungsministerium noch einmal interne Haasenburg-Protokolle prüfen lassen, um zu klären, ob die offiziellen Berichte möglicherweise geschönt wurden.

Die Haasenburg GmbH wies alle Vorwürfe zurück. Unternehmenssprecher Hinrich Bernzen sagte: „Bei uns werden keine Kinder gequält. Die behaupteten Körperverletzungen und Menschenrechtsverletzungen gibt es bei uns nicht.“ Das Unternehmen lässt die Vorwürfe nun intern prüfen.

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