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Berlin: Kritik unter Freunden

Nach dem 11. September solidarisierten sich Schüler der Askanischen Oberschule mit Amerika – jetzt demonstrieren sie gegen Bush

Blaue Broschen mit weißen Friedentauben sind besonders beliebt. Die Schüler von Lehrer Peter Klepper von der Askanischen Oberschule in Tempelhof treffen sich am Sonnabendnachmittag auf dem Potsdamer Platz. „Meine Schüler engagieren sich sehr gegen den Krieg, haben auch bei anderen großen Friedensdemonstrationen der letzten Wochen mitgemacht“, sagt stolz der Lehrer Peter Klepper. Er selbst hat sich ein Schild gebastelt, dass er jetzt am Körper trägt, vorn steht: „Sturz Saddam Husseins, aber nicht mit Krieg“, hinten auf dem Rücken lautet die Parole „Nein zum Krieg gegen den Irak“.

Vor rund eineinhalb Jahren sahen die Aktionen der Schüler noch anders aus, da solidarisierten sie sich mit den Amerikanern. Kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September rief Klepper mit seinen Schülern zu Spenden für die Opfer auf. 1600 Mark kamen damals zusammen. Das Geld ging zur Hälfte nach Amerika, die andere Hälfte nach Afghanistan. Damals sangen einige die Schüler sogar bei einer Benefizgala im Estrel Hotel zusammen mit amerikanischen und afghanischen Jugendlichen das Lied „We are the world“.

Scheint da die heutige Demonstration gegen den Krieg der Amerikaner im Irak nicht widersinnig? „Überhaupt nicht“, meinen die Schüler. „Wir sind ja nicht gegen die Amerikaner, sondern gegen die Entscheidungen der BushRegierung“, erklärt der Schülersprecher Simon Meier. Dennoch sind die Jugendlichen „von den US-Politikern enttäuscht“. Die 15-jährige Rebecca findet es „schade, dass die auf uns nicht hören, obwohl wir nach dem 11. September eine solche Solidarität gezeigt haben. „

Kurz vor Kriegsbeginn haben Simon und einige andere Schüler einen Brief an den US-Botschafter Dan Coats geschrieben, in dem sie erklären, dass Krieg kein legitimes Mittel zum Sturz eines Diktators sei. „Vielleicht hatten wir die naive Hoffnung, dass sich Coats an den amerikanischen Präsidenten wendet, ihm das vorträgt, und der Krieg dann doch noch zu verhindern wäre“, sagt Klepper.

Simon, der als Austausch-Schüler während der Terroranschläge in Washington gelebt hat, steht fast täglich in Kontakt mit seiner alten Gastfamilie. „Die sind alle für den Krieg. Ich versuche ihnen immer wieder Argumente zu liefern, aber es nützt nichts“, sagt Simon. Dennoch gibt er nicht auf und versucht, guten Kontakt aufrechtzuerhalten: „Wir sind ja befreundet, und ich finde, unter Freunden darf und sollte man auch Kritik üben.“ Er hat eher ein Gefühl der Ohnmacht, das sich schon vor eineinhalb Jahren eingestellt hat, „als die Amerikaner nach den Anschlägen immer patriotischer wurden und sich von uns Europäern nichts haben sagen lassen.“

Feruzan, 15 Jahre, ist hin und her gerissen. Ihr Vater ist Kurde, ihre Mutter Türkin. „Mein Vater ist für den Krieg, weil er meint, dass der Diktator sonst nie gestürzt wird“. Manchmal glaubt sie das auch, dennoch steht sie jetzt mit ihren Mitschülern am Potsdamer Platz. „Weil ich nicht will, dass während eines Krieges Zivilisten sterben müssen“, sagt sie.

Mit Parolen, die vereinzelt aus Lautsprecherwagen dröhnen, können die Schüler der Askanischen Oberschule nichts anfangen. „Wenn da Hetz-Parolen gegen die Amis kommen, ist das völliger Quatsch“, sagt Klepper. Aber wegen einzelner ideologisch verblendeter Demonstranten wollen sie sich ihren Marsch gegen den Krieg nicht vermiesen lassen. tabu

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