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Frank Henkel: "Künast macht eine schwarz-grüne Koalition schwierig"

Wie CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel die Bürger für einen Machtwechsel gewinnen will und warum er eine schwarz-grüne Koalition eher skeptisch sieht. Ein Interview.

Herr Henkel, warum wird Klaus Wowereit die Abgeordnetenhauswahl im September 2011 verlieren?

Weil der Regierende Bürgermeister deutlich erkennen lässt, dass er keine Lust mehr hat, Berlin zu regieren. Weil er keinen Plan mehr hat, wie er die Stadt nach vorne bringt. Hinzu kommen Überheblichkeit und die Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen der Berlinerinnen und Berliner. Schauen wir, was Wowereit zur Chefsache gemacht hat: Vom Klimaschutz- bis zum Integrationsgesetz hat er entweder alles lustlos liegen gelassen oder falsche Entscheidungen getroffen. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass die Tage von Wowereit im Amt des Regierenden Bürgermeisters gezählt sind.

Die Umfragen zeigen nicht, dass die Berliner den Senat satt haben – die SPD liegt bei 29 Prozent.

Aber Unmut über die vielen Probleme kann nicht geleugnet werden. Die Berlinerinnen und Berliner erleben eine S-Bahn, die nicht mehr fährt, sie erleben Schulen, an denen über eine halbe Million Unterrichtsstunden ausfallen. Viele ältere Menschen trauen sich nicht mehr in die U-Bahn, wenn es dunkel wird. Das ist das Ergebnis einer Politik, die sich nicht kümmert. Dafür wird Herr Wowereit am 18. September die Quittung bekommen.

Welche sind die drei größten Fehler, die der Senat in der laufenden Legislaturperiode gemacht hat?

Es war ein Fehler, den Flughafen Tempelhof zu schließen. Dort hätten wir als Stadt die wunderbare Chance gehabt, einen zentralen Wirtschaftsstandort zu entwickeln. Es war ein Fehler, über zwanzig Bildungsreformen durchzupeitschen, die nicht die Qualität verbessern, sondern nur zur Verunsicherung von Schülern, Eltern und Lehrern geführt haben. Und es war ein Fehler, über tausend Polizisten einzusparen.

Zu Tempelhof: Ist es nicht bezeichnend, wie sich die Leute dieses freie Feld erobert haben und wie Tempelhof ohne großen Aufwand zu einem Ort geworden ist, den sehr viele Leute sehr schätzen?

Ich schätze Tempelhof als Ort auch. Doch eine Stadt, die so viele Probleme hat, die die Hauptstadt der Kinderarmut und der Hartz-IV-Empfänger ist – eine solche Stadt sollte daher mit diesem Standort verantwortungsvoller umgehen. Wir werfen dem Senat vor, dass er Tempelhof ohne konkretes Nachnutzungskonzept dicht gemacht hat, aus rein ideologischen Gründen. Er hat damit eine weitere Chance vertan, Arbeitsplätze zu schaffen. Es gab Pläne eines Investors für eine Hochschule, ein Hotel, medizinische Einrichtungen. Das wäre eine Millioneninvestition in dreistelliger Höhe gewesen, mehrere Tausend Arbeitsplätze hätten dort entstehen können. Das hätte einer Stadt, die so dasteht wie Berlin, gut zu Gesicht gestanden.

Sie haben dem Senat für die Bildungspolitik ein Reform-Moratorium vorgeschlagen. Warum?

Ich habe vor über einem Jahr dieses Moratorium gefordert, weil ich aus vielen Gesprächen mit Eltern weiß, dass die vielen Reformen an den Schulen zu einer enormen Verunsicherung geführt haben, weil diese Reformen nicht bis zum Schluss durchdacht waren. Deshalb habe ich gesagt: Es wäre gut, wenn die Politik insgesamt einen Schritt zurücktritt. Mir schwebte ein zehnjähriges Moratorium vor, in dem es für Schüler, Lehrer und Eltern Planungssicherheit gibt. Ein konkretes Problem ist die Schülerlotterie, bei der nachgefragte Gymnasialplätze verlost werden sollen. Ein weiteres erschreckendes Problem ist das jahrgangsübergreifende Lernen. Es ist ein bildungspolitisches Desaster, dass hier jedes fünfte Kind sitzen bleibt, es ist aber auch ein finanzielles Problem. Wenn 14 000 Schüler, die in den vergangenen vier Jahren sitzen geblieben sind, noch mal von Anfang an beschult werden müssen, entstehen Kosten von 90 Millionen Euro. Das ist eine Menge Geld. Dafür hätten 500 Grundschullehrer eingestellt werden können. Da wäre das Geld besser investiert worden. JüL sollte nicht zwanghaft verordnet, sondern nur freiwillig angeboten werden.

Wie würden Sie die Einstellung von Polizisten bezahlen?

Wir haben bei der Beratung des letzten Doppelhaushaltes deutlich gemacht, dass wir Neueinstellungen bei der Polizei, der Justiz, der Feuerwehr und den Lehrern brauchen. Wir wollen 250 Polizisten zusätzlich einstellen. Das kann man gegenfinanzieren, zum Beispiel durch Einsparungen beim Öffentlichen Beschäftigungssektor oder durch eine bessere Kontrolle dessen, was bei der Sozialwirtschaft ausgegeben wird. Die Berliner CDU hat im letzten Doppelhaushalt einen Gestaltungsspielraum von 500 Millionen Euro ausgemacht.

In den Umfragen zeichnet sich ein neues rot-grünes Projekt in Berlin ab. Was spricht dagegen?

Ob es zu Rot-Grün kommt, entscheidet der Wähler. Ich bin vom Erfolg meiner Partei überzeugt und halte den Ausgang der Wahl für völlig offen. Die CDU hat bewiesen, dass sie es in Berlin schaffen kann, stärkste politische Kraft zu werden. In Berlin haben wir 2009 die Europa- und die Bundestagswahl gewonnen. An diese Erfolge wollen wir anknüpfen. Was wäre eigentlich anders in der Stadt, wenn Rot-Grün regiert hätte? In der Bildungspolitik haben die Grünen allen Reformen zugestimmt oder sich enthalten. Bei der inneren Sicherheit sind die Grünen eng an der Seite der SPD. Die Grünen sind gegen die A 100. Was also wäre eigentlich anders? Wer einen Politikwechsel in Berlin will, eine Politik der Mitte, der bekommt das nur mit der CDU.

SPD, Grüne und Linke kommen zusammen auf 67 Prozent der Stimmen, Berlin ist eine tendenziell linke Stadt. Mit wem würden Sie regieren wollen?

Die Frage künftiger Koalitionen stellt sich für mich derzeit nicht. Ich kämpfe dafür, mit der Berliner CDU stärkste politische Kraft in der Stadt zu werden. Bei einer künftigen Koalition wird es nicht um Prozentzahlen, sondern um Inhalte gehen. Da machen wir der Stadt ein Angebot: Wir stehen für moderne Industrien, für mehr Arbeitsplätze, für ein vielfältiges Bildungssystem, für eine Unterrichtsgarantie, für sichere Kieze, für eine Integration, bei der wir fördern wollen, aber den Menschen, die zu uns kommen, auch etwas abverlangen. Ich glaube, dass wir mit diesen Themen den Nerv der Berliner treffen – und dass wir Alleinstellungsmerkmale haben. Wer wie Frau Künast flächendeckend Tempo 30 fordert, die Gymnasien infrage stellt und den Großflughafen BBI zu einem Regionalflughafen degradieren will, macht Überlegungen, eine Koalition zu bilden, schwierig.

Was spricht für ein schwarz-grünes Projekt?

Grundsätzlich sind wir offen und gesprächsbereit. Wer gestalten will, darf sich keine Optionen verbauen. Aber wie gesagt: Wer sich so äußert wie Frau Künast, macht es uns schwerer.

Der Streit um die Flugrouten zeigt, dass sich viele Bürger von der Politik nicht mehr vertreten fühlen. Ist Politik zu hermetisch geworden?

Da geht es in erster Linie um Vertrauensschutz: Welche Zusagen gab es seitens der politisch Verantwortlichen – und auf welche kann man sich heute nicht mehr verlassen? Ich verstehe die Wut der Menschen – und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Regierende Bürgermeister von der Entwicklung bei den Flugrouten wirklich überrascht worden ist. Da fehlt mir die Fantasie.

Die Ostberliner Bezirke sind für Ihre Partei Diaspora. Warum ist das immer noch so?

Ich glaube, dass wir in Teilen der Bezirke östlich des Brandenburger Tors immer noch als eine West-Partei wahrgenommen werden. Die CDU steht wie keine andere Partei für die Deutsche Einheit, aber vielleicht wird sie deshalb auch stärker damit verbunden, wenn sich bestimmte Hoffnungen der Menschen nach dem Fall der Mauer nicht bestätigt haben. Das ist ein Ansatz, um zu erklären, dass wir im Osten bei 15 oder 16 Prozent verharren, während wir im Westen stärkste politische Kraft sind.

Das Interview führte Werner van Bebber

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