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Berlin: Kürzeste Nächte: Balten und Skandinavier beleben die Tradition der Mittsommerfeste in Berlin

Die kürzeste Nacht des Jahres war am Mittwoch bereits um 4.44 Uhr zu Ende, am Horizont stieg die Sonne zu ihrem längsten Lauf des Jahres in den Himmel über Berlin, bei Sonnenuntergang war es 21.

Die kürzeste Nacht des Jahres war am Mittwoch bereits um 4.44 Uhr zu Ende, am Horizont stieg die Sonne zu ihrem längsten Lauf des Jahres in den Himmel über Berlin, bei Sonnenuntergang war es 21.33 Uhr. Die Erde hielt sich an ihren astronomischen Fahrplan. Um 3.48 Uhr erreichte die Sonne sekundengenau ihren Sommerpunkt am Wendekreis der nördlichen Hemisphäre.

Dieter Herrmann hat nichts anderes erwartet. Und er weiß auch, wie so eine Sonnenwende funktioniert: "Der Eindruck entsteht durch die Bewegung der Erde um die Sonne auf einem Kreis, den wir Ekliptik nennen. Bei ihrem scheinbaren jährlichen Lauf an der Himmelskugel hat die Sonne bei 23,5 Grad nördliche Breite ihren höchsten Stand erreicht." Wer es ganz genau wissen will, erfährt es am morgigen Freitag um 20 Uhr, wenn der Direktor der Archenhold-Sternwarte im Zeiss Großplanetarium den "Sommeranfang am Sternenhimmel" erklärt.

Für Ines Seglina ist die Sonnenwende mehr als ein astronomisches Ereignis. "Die Mittsommernacht ist eine besondere Nacht, in der manche Wunder geschehen", sagt die Mitarbeiterin der lettischen Botschaft geheimnisvoll. "In Lettland feiern wir am 23. Juni das Fest der Kräuter und Blüten. Am Abend zünden wir Feuer an, um der Sonne über die kurzen Stunden der Dunkelheit hinüberzuhelfen. Man sagt, wer in dieser Nacht schläft, der verschläft das ganze Jahr." Auch zu Sowjetzeiten habe sie trotz des offiziellen Verbots das heidnische Fest mit Familien und Bekannten gefeiert. "Der Name Janis ist sehr verbreitet, deshalb feiern viele Letten am darauffolgenden Johannistag ihren Namenstag." Mit dem Verbot des heidnischen Fruchtbarkeitsfestes waren schon die Christen gescheitert, die deshalb den Gedenktag Johannes des Täufers auf den 24. Juni legten.

In diesem Jahr feiert Ines Seglina die Sonnenwende in Berlin. Zum ersten Mal werden die Letten ihr Johannisfest gemeinsam mit den Botschaften Estlands und Litauens begehen. Am Freitag um 18 Uhr eröffnen die drei Botschafter ihr Mittsommerfest im Strandbad Halensee. Zur großen Sonnenwendfeier treten Tanz- und Folkloregruppen aus den baltischen Republiken auf. Ein Familienfest soll es werden mit kulinarischen Spezialitäten und einem traditionellen Johannisfeuer. "Man nimmt sich an der Hand und muss über die Flammen springen. Das bringt Glück", sagt Ines Seglina. Wem es Glück bringt, zeigt sich noch am Freitagabend im Strandbad, denn die Veranstalter wollen drei Reisen für je zwei Personen nach Riga, Vilnius und Tallinn verlosen.

Die Idee zum trilateralen Mittsommerfest hatte die Europäische Akademie, die im letzten Jahr an gleicher Stelle bereits mit den Litauern eine Sonnenwendfeier veranstaltete. Akademieleiter Eckart Stratenschulte erwartet rund 800 Besucher. "Wir hatten zunächst auch die nordischen Botschaften eingeladen, die uns allerdings abgesagt haben."

"Für die Schweden ist der Midsomma Afton einer der höchsten Feiertage im Jahr", erklärt Aså Benteke, Kulturbeauftragter in der schwedischen Botschaft, "die meisten haben da schon ein festes Programm mit Freunden und Bekannten." Am Mittsommertag bleiben die Geschäfte in Schweden geschlossen, am Freitag legt deshalb auch die schwedische Botschaft in der Rauchstraße einen Ruhetag zu Ehren der Sonne ein. Ihr traditionelles Mittsommerfest feiern Schweden in Berlin bereits seit Jahrzehnten im Park des schwedischen Gemeindezentrums in Wilmersdorf. "Das Fest ist von Mythen und Traditionen umrankt", sagt Peter Wånehag, Pfarrer der Victoria-Gemeinde, wo die Mittsommerfeier am Freitagnachmittag beginnt. "Blumen werden gesammelt und Kränze gebunden. Wir schmücken einen Birkenbaum, die Midsommastång, um die herum ein traditioneller Ringtanz aufgeführt wird." Nach altem Brauch werden Matjesfilets zu neuen Kartoffeln und saurer Sahne serviert. Auch in der heidnischen Magie des Festes kennt sich der evangelische Pfarrer aus: "Es heißt, in der Mittsommernacht steht der Farn in goldener Blüte. Und wenn die Mädchen sieben Blumen unter ihr Kopfkissen legen, träumen sie von ihrem zukünftigen Ehemann." Mittsommerfeuer, wie im Baltikum, gehören allerdings nicht zum festen Bestandteil des schwedischen Midsomma Afton.

Auch Gerd Pettersen, Presse- und Kulturrätin der norwegischen Botschaft, erinnert sich, als Kind Blüten in ihr Bett getragen zu haben. "Von meinem heutigen Mann habe ich aber so konkret nicht geträumt." In Norwegen werde die Mittsommernacht vor allem an den großen See und den Inseln vor der Küste gefeiert, das Fest habe eine starke Tradtion, sei aber kein Feiertag. Die Idee, das Mittsommerfest zusammen mit den Botschaften der baltischen Staaten zu feiern, hält sie für gut. Warum es diesmal nicht zur gemeinsamen Sonnenanbetung kommt, weiß Frau Pettersen nicht. "Vielleicht wird ja im nächsten Jahr etwas daraus."

Auch die Berliner wollen die kürzesten Nächte des Jahres mit Mittsommerfesten feiern. Die Berliner Bäder-Betriebe laden zusammen mit dem schwedischen Möbelhaus Ikea für Freitagabend ab 20 Uhr zu einer skandinavischen Mittsommernacht in die Schwimmhalle Buch ein. Am Sonnabend öffnet der Britzer Garten in Neukölln ab 11 Uhr seine Tore zu einem großen Sommersonnenwendfest mit Musik, Tanz und einem Sonnenwendfeuer, um die Götter gnädig zu stimmen. Erwachsene zahlen an diesem Tag fünf Mark, für Kinder unter sechs Jahren kostet der Eintritt zwei Mark.

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